Das Bamberger Malz macht’s

30.3.2012, 08:50 Uhr
Das Bamberger Malz macht’s

© Weyermann Malzfabrik (PR)

Es mutet gar phantastisch an, was sich da in Bamberg in roten Backsteinen neben der Bahnstrecke in die Höhe schraubt. Geradezu mystisch dampft es aus den metallenen Drachenmäulern der Schornsteine. Eine mittelalterliche Trutzburg mit Türmchen und Zinnen ist zu sehen, daneben eine mit Pavillons garnierte Villa im viktorianischen Stil. Jeden Moment könnte Willy Wonka mit Spazierstock und Zylinder heraustreten, um Roald Dahls „Charlie und die Schokoladenfabrik“ lebendig werden zu lassen.

Doch um hier hereinzukommen, braucht man keine goldene Eintrittskarte. Man muss nur an einer Führung teilnehmen. An der Brennerstraße in Bamberg steht nämlich nicht Willy Wonkas Schokoladenfabrik, sondern die Firma Weyermann. Auch sie stellt eine für viele unverzichtbare Köstlichkeit her: Malz.

Malz ist gekeimtes und getrocknetes Getreide, gilt als Seele des Bieres und gibt ihm Geschmack und Farbe. Um dem Gerstensaft eine unvergessliche Seele zu verpassen, muss bei aller äußerlichen Märchenhaftigkeit natürlich auch bei Weyermann hart und produktiv gearbeitet werden. „Kein Unternehmen weltweit stellt eine derartige Vielfalt an Spezialmalzen her“, betont denn auch Firmenhistoriker Christian Kestel.

Aus dem Schlaf geweckt

Während andere Mälzereien aus dem Getreide nur drei oder vier Basismalze gewinnen, hat sich Weyermann ganz der geschmacklichen Verfeinerung verschrieben. Die Geschäftsführerin Sabine Weyermann hat das Unternehmen mit ihrem Mann Thomas Kraus-Weyermann aus einem Dornröschenschlaf geweckt. Als sie das Unternehmen 1985 als 27-Jährige übernahm, konzentrierte es sich noch ganz auf den deutschen Markt und wenige Basismalze, hatte gerade mal 20 Mitarbeiter. Heute arbeiten 110 Menschen in der Mälzerei, die ihre Produkte in 120 Länder exportiert.

Sabine Weyermann lebt in der viktorianischen Villa auf dem Gelände und genießt es, wenn sie vom Trubel umgeben ist. „Ich liebe die Weyermann-Welt. Es war immer mein Lebenstraum, hier zu wohnen“, sagt die Diplomingenieurin für Getränketechnologie und Brauwesen.

Die Geschichte der Mälzerei begann 1879 unter einer Segeltuchplane. Firmengründer Johann Baptist Weyermann, der den Getreidehandel seines Vater Michael Weyermann übernommen hatte, produzierte dort Malz- und mehrere Sorten Fruchtkaffee.

Das Unternehmen wurde ein solcher Erfolg, dass Weyermann 1887 das Gelände an der Bahnstrecke erwarb, wo innerhalb weniger Jahre ein gewaltiger Gebäudekomplex entstand. Es war das Lebenswerk des Architekten Gustav Haeberle, der sich hemmungslos dem Historismus der Gründerzeit hingab.

Das Bamberger Malz macht’s

© Weyermann Malzfabrik

Aus dem ganzen Gelände spricht der Stolz über die Familientradition. Von den Autos und Lkw bis zur Kleidung der Mitarbeiter, vom Bürostuhl bis zur Laterne, überall prangt das Logo mit den verschlungenen Buchstaben M und W, überall leuchten die Unternehmensfarben Rot und Gelb – Rot für die Backsteine, Gelb für die Gerste. Sogar an die roten Klodeckel und das gelbe Klopapier hat man gedacht. „Wir leben das exzessiv aus“, sagt Sabine Weyermann. 2006 hat man einen Souvenir-Laden eröffnet, in dem Besucher Bier, Gläser, Kleidung, Taschen und vieles mehr in den Weyermann-Farben kaufen können.

Exzessiv lebt das Unternehmen auch die Produktion von Spezialmalzen aus. 80 Sorten gibt es, viele in Bio-Qualität. Das Getreide keimt fünf Tage in 120-Tonnen-Becken bevor es getrocknet wird. Besondere Spezialitäten werden dann noch karamellisiert oder geröstet.

In einer Versuchsbrauerei können Brauer seit 2003 in kleinen Chargen mit Spezialmalzen experimentieren und eigene Bier-Kreationen entwerfen. Safran-Bier oder Salbei-Pils kamen hier schon aus dem Zapfhahn. „Es macht unheimlich Spaß, diese Spezialitäten zu entwickeln. Hier kann ich ausleben, warum ich Brauer geworden bin“, schwärmt Braumeister Dominik Maldoner.

Kommt das Orangen-Weizen?

Pünktlich zur Landesgartenschau entsteht ein Süßholz-Bier, das an den traditionellen Süßholz-Anbau in Bamberg erinnern soll. Und Maldoner kann sich sogar noch mehr vorstellen: „Vielleicht gibt es im Sommer ja mal ein alkoholfreies Orangen-Weizen. Wir werden sehen...“

Weyermann-Malz nimmt man nicht nur mit Bier zu sich. In Bamberg wird auch das Rauchmalzbier „Sinamar“ produziert. Den dicken, dunklen Sirup kann man pur kaum trinken, doch färbt er nicht nur Bier, sondern auch Roggenbrot, Aceto Balsamico, Cola oder Tee.

Seit 1973 steht das Weyermann-Gelände unter Denkmalschutz, ein Modell des Komplexes wurde 2010 bei der Ausstellung „Mythos Burg“ im Germanischen Nationalmuseum gezeigt. Zum Welterbe gehört Weyermann noch nicht, doch der markante Malzgeruch, der Besucher bei Nord-West-Wind schon am Bahnhof empfängt, ist untrennbar mit der Stadt verbunden.

Zweieinhalbstündige Führungen für bis zu 20 Personen lassen sich unter der E-Mail-Adresse andrea.kundler@weyermann.de vereinbaren (15 Euro pro Person mit Bierprobe und Breze).

Öffnungszeiten des Souvenir-Ladens:

Mo.–Do. 10–12 und 13–16 Uhr, Fr. 10–12 und 13–15 Uhr.

Keine Kommentare