Das Gotteshaus als Baustelle

28.8.2014, 06:00 Uhr
Das Gotteshaus als Baustelle

© Foto: Thomas Scherer

Dem großen Reformator geht es ein wenig so wie den Gemeindemitgliedern von St. Rochus. Martin Luther hat seinen angestammten Platz in der Kirche verloren, derzeit blickt er in der Sakristei aus einem prächtigen Goldrahmen. Das Bild, es steht auf einer Stuhlreihe. Die Gottesdienstbesucher müssen derweil regelmäßig im Gemeindehaus der Predigt lauschen.

Warum dem so ist, wird beim Blick ins Gotteshaus klar: Altar, Orgel, Kanzel, Markgrafenloge und Emporen sind mit weißen Gewebefolien staubgeschützt verpackt, fast könnte man meinen, Verpackungskünstler Christo hätte in Zirndorf Hand angelegt. Weniger zur Kunst passen allerdings die großen Holzkabelrollen auf dem Boden. Gleich neben dem Eingang liegt ein Sandhaufen. Steinplatten sind aufgestapelt. Alte Leerrohre und abgeschnittene Kabelreste fallen ins Auge. Aus einem viereckigen Schacht zwischen den Bänken ziehen sich Leitungsstränge in den westlichen Teil des Kirchenschiffs, dort, wo über allem die Orgel thront.

Christian Sörgel, langjähriger Mesner, Hausmeister, Mitglied des Kirchenvorstandes, und nun der Vertrauensmann des Gremiums, kennt St. Rochus wie seine Westentasche. Sein Blick fällt in die Bodenöffnung, aus der die Kabel kommen. Als im Gotteshaus 1967 die letzte große Sanierung vorgenommen wurde, verlegten die Elektriker seinerzeit die Leitungen vom Schaltschrank neben der Sakristei durch die alten Warmluftschächte, die einst über eine Koksheizung im Keller versorgt wurden. „Wir haben lange gerätselt, wie der Strom in die Kirche kam“, sagt Sörgel. Da keine Pläne vorhanden waren, stemmten die Handwerker zunächst den Boden vor dem Schaltschrank auf. Dort fanden sich aber keine Leitungen, glücklicherweise fielen Sörgel die Schächte ein.

Das Gotteshaus als Baustelle

© Foto: privat

Sicherer, heller und ein wenig komfortabler wird St. Rochus nach dem Abschluss der Arbeiten sein: So werden nicht nur die rund 45 Jahre alten Elektroleitungen beseitigt. Über ein Tableau in der Kirche können künftig Glocken, Lautsprecher und Licht gesteuert werden. Dann erhellen auch Leisten mit LED-Strahlern, montiert auf den mächtigen Querbalken unter dem Tonnengewölbe, das Kirchenschiff. Auf die Pendellampen und die Wandleuchten mit dem Charme der 60er Jahre müssen die Besucher bald verzichten.

Die Kirchenbänke – dem Stil des 18. Jahrhunderts nachempfunden und 1904 eingebaut – erhalten eine neue über ein Thermostat gesteuerte Sitzheizung. „Bei der alten gab es nur Ein oder Aus“, sagt Sörgel. Die Folge: Die mit Knochenleim verklebten Bretter der Bänke wurden spröde und müssen zum Teil ausgewechselt werden.

In den letzten über 100 Jahren hat das Gotteshaus drei große Sanierungen erlebt. 1904 gab es nicht nur die erwähnten Bänke und die Warmluftheizung, sondern auch eine neue Orgel. Da das Instrument größer ausfiel, musste die Empore umgebaut werden. Die Kanzel wurde komplett zerlegt und zur Restaurierung auf Fuhrwerken nach Nürnberg geschafft. Den Anfang des 17. Jahrhunderts gefertigten Barockaltar sanierten die Fachleute vor Ort.

1954 hatten Holzwurm und Holzbock das komplette Gebäude massiv befallen: Dachgebälk, Kanzel, Altar, Emporen wurden „geimpft“. „Ein Jahr lang“, sagt Sörgel, „hat man das in der Kirche noch gerochen.“

Alte Bausünden beseitigt

Ende der 60er Jahre rückten wiederum die Handwerker an. Nicht nur Elektrizität, Beleuchtung und Lautsprecheranlage wurden erneuert, sondern auch die Vergoldung von Altar, Kanzel und Orgel-Prospekt – die Verzierung — aufgefrischt. In der Regel wurden im Zuge solcher Maßnahmen oft alte Bausünden beseitigt, aber auch neue begangen. So können sich die Besucher seit damals über die wieder hergestellte Kieselmarmor-Decke freuen. Beim Blick von unten wirkt es, als seien, wie bei einem Puzzle, die Steine eng aneinander in den Putz gedrückt. Auf Anraten des Denkmalschutzes wurden aber auch die großen Sandsteinsäulen, auf denen die Emporen ruhen, weiß gestrichen. Der Kirchenraum wirkt dadurch zwar heller, heute würden die Experten aus München jedoch gerne wieder den Originalzustand sehen. Gleiches gilt für den Altar, an dessen Rückwand eine riesige Spanholzplatte angebracht wurde – dadurch sollten die Figuren besser zur Geltung kommen. Allerdings, weiß Sörgel, und klingt dabei richtig empört, habe der Künstler seinerzeit im Barock Christi Verklärung darstellen wollen und dabei sei der Lichteinfall von hinten gewollt gewesen.

2005 die Orgelrestaurierung, 2010 die Runderneuerung des Kirchplatzes waren weitere Maßnahmen, die es in St. Rochus zu stemmen galt. Wobei, vereinfacht gesagt, folgendes gilt: Alles was im Inneren des Gotteshauses zu bewerkstelligen ist, muss die Kirche tragen. Für die Gebäudehülle obliegt die Baulast dem Freistaat. Im Detail bleiben Diskussionen, wer was bezahlt, dennoch nicht aus.

In der Vergangenheit, sagt Sörgel, hätten die Mitglieder der Kirchengemeinde die diversen Sanierungen „sehr großzügig“ mit Spenden unterstützt. Darauf hoffen die Verantwortlichen auch dieses Mal, schließlich müssen 170 000 Euro an Eigenmitteln aufgebracht werden und weitere Maßnahmen – UV-Folien für die Fenster im Süden – stehen an.

Gefreut hat man sich deshalb in St. Rochus über eine Aktion der Tucher-Brauerei, die der Kirchengemeinde Bierkrüge samt Holzdeckel mit einem Motiv zur 100-Jahr-Feier der Stadterhebung Zirndorfs spendiert hat. Für acht Euro ist das Ensemble in limitierter Auflage im evangelischen Pfarramt, Pfarrhof 3, erhältlich. Der Erlös fließt in die Sanierung. Den Gerstensaft kann man sich dann mit richtig gutem Gewissen schmecken lassen. Schließlich wusste schon Martin Luther: „Wer kein Bier hat, hat nichts zu trinken.“

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