Der Guru von Ailsbach

25.10.2012, 10:52 Uhr
Der Guru von Ailsbach

© WDR

Nach Schätzungen gibt es in Deutschland 200.000 Kinder, die in Sekten aufwachsen. Drei davon leben in Lonnerstadt. Filmemacherin Beate Greindl hat ihr Schicksal festgehalten. Im Frühjahr 2012 hat sie mit einem Team des WDR im Aischgrund gedreht. Das Ergebnis war am 25. Oktober in der Sendereihe „Menschen hautnah“ zu sehen.

Der Guru von Ailsbach

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Bei der neuen Gruppe der „Weltdiener“ im Lonnerstadter Ortsteil Ailsbach herrscht beispielsweise die Ansicht, Kinder seien „erwachsene Seelen“ in Kinderkörpern und bräuchten keine besondere Rücksicht. Deshalb sei es für die Sekte selbstverständlich, dass Kinder auf Spiel, Spaß und Süßigkeiten verzichten müssen, um ihre „Seele voranzubringen“.

Der Film wirft viele Fragen auf: Ist es in Ordnung, wenn Eltern ihre Kinder nachts um vier zur Meditation wecken, auch wenn sie später in der Schule vor Müdigkeit einschlafen? Darf es sein, dass Kinder keinen Kontakt zu Gleichaltrigen haben, auch wenn sie sich nach Freunden sehnen? Dass sie in absoluter Armut leben müssen, weil die Eltern sich vom Materialismus lösen wollen?

Arztbesuche sind tabu

Die Kinder haben laut TV-Bericht keine Krankenversicherung, Arztbesuche sind tabu. Denn zum einen vertritt der Guru die These, Ärzte könnten die jahrelange Seelenarbeit zunichtemachen. Zum anderen glauben er und seine Jünger, Krankheiten seien lediglich eine Form der „Reinigung“.

Eine Großmutter aus Herzogenaurach streitet vor Gericht gegen ihren Sohn und die Schwiegertochter, weil sie Angst hat vor den Folgen der „göttlichen Erziehung“ in der Gruppe. Bisher konnte sie kaum etwas für ihre Enkelkinder erreichen und wirft den Behörden Untätigkeit vor. „Für diese aber steht offenbar der Elternwille im Vordergrund“, schreibt der WDR in der Ankündigung des Beitrags.

Dabei, so hat Filmemacherin Beate Greindl herausgefunden, hat es auch schon lebensgefährliche Situationen für Kinder gegeben, die früher bei den „Weltdienern“ leben mussten.

Sie berichtet von Kilian, der zwölf Jahre alt war, als er mit seinen Geschwistern in die Gruppe gebracht wurde. Er leidet an einer chronischen Krankheit und bekam, gemäß den Thesen des Gurus, keine Medikamente. Die Folge: Seine Lunge blähte sich auf, er magerte stark ab, war bei seiner Flucht aus der Sekte dem Hungertod nahe.



Auch das Jugendamt Erlangen-Höchstadt äußert sich. Die schriftliche Stellungnahme wird im Filmbeitrag zitiert: Zu keinem Zeitpunkt habe es eine „Rechtfertigung für eingreifende Maßnahmen ... gegeben“.

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