Der Hammel in der Puddingform

26.9.2014, 13:00 Uhr
Der Hammel in der Puddingform

© Foto: Hans-Joachim Winckler

„Hammelbraten mit Gurken“, das empfiehlt das Regensburger Kochbuch von 1912 als feinen Sonntagsbraten. Raffiniert die Zubereitung, das Fleisch wird in der Puddingform gedämpft. Was Gerlinde Erhardt freilich wenig beeindruckt: „Besser wird es dadurch auch nicht.“ Erhardt, die das Jahresmotto zusammen mit einigen Mitstreitern im Heimatverein ersonnen hat, lehnt derartige lukullische Genüsse nicht generell ab. Im Januar startete man das Themenjahr mit einem Treffen in der Oberasbacher Schulküche: Lamm- Rollbraten, gefüllt mit Schinken, Knoblauch und Petersilie, stand dabei auf dem Speiseplan. Wer Gerlinde Erhardt bei ihren Erzählungen zuhört, erkennt unschwer, dass die Veranstaltung ein kulinarischer Hochgenuss war. Ganz im Gegensatz zu dem bösartigen Schafbock, vor dem sie sich als Mädchen auf dem heimischen Hof immer ein wenig ängstigte und der schließlich ebenfalls sein Ende im Kochtopf fand.

Mit allen Sinnen

Wie auch immer, der Ausstellung haben die Kindheitserlebnisse nicht geschadet. Was im Übrigen sonst bei solchen Gelegenheiten in der Regel verboten ist, wird am Wochenende in den Räumen des Heimatverein sogar gewünscht: Hand an die Ausstellungsobjekte zu legen. „Wolle muss man mit allen Sinnen erfassen“, sagt Johann Drechsler und greift wie zum Beweis in den Korb mit dem flauschigen Naturmaterial vom „Coburger Fuchs“. Die stammt von der Herde der Schäferei Hitz aus dem Steiner Ortsteil Loch. Beim Aktionstag des Heimatvereins (siehe Artikel links unten) sind die Tiere auf der BN-Wiese am Milbenweg zu bewundern.

Daneben stehen drei weitere Behälter, zwei sind mit Wolle von Heidschnucken gefüllt, einer mit dem geschorenen Fell von Rotkopfschafen. Auch die kommen aus der Nachbarschaft, und zwar von der Hobbyschäferin Heidi Stafflinger, die der Heimatverein im März diesen Jahres besucht hat. Gleich neben der Wolle liegen die Gerätschaften, mit denen die Schafe um ihren wärmenden Pelz gebracht werden, sowohl die elektrische als auch die rein manuell betriebene Version.

Die Verarbeitungskette liefert den roten Faden der Ausstellung: Unter dem Fenster ist eine Zinkwanne platziert, darin wurde die Wolle mit Seife und einem Stampfer traktiert, um das Fett herauszuwaschen. Dann war das „Kardieren“ an der Reihe, oder verständlicher gesagt: das Kämmen. Entweder mühsam mit einem Handkamm oder mit einer kleinen Maschine, bei der zwei mit Metallborsten bestückte Rollen ineinandergreifen.

Vorsichtig legt Johann Drechsler eine Handvoll Rohwolle auf die kleinere der beiden Rollen und beginnt, an der Handkurbel zu drehen. Schon nach wenigen Sekunden werden alle Fäden in eine Richtung gezogen und können dann vorsichtig heruntergenommen werden.

Ein unablässiger Schritt, damit die Fäden im Spinnrad zur Garn gesponnen werden konnten. Geräte verschiedenster Art sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Und natürlich auch, was aus der Wolle schließlich wird: Strickwesten mit edlen Blumenstickereien, eher ein Augenschmaus für die älteren Besucher. Aber auch die Jugend kommt nicht zu kurz. Farbenfroh leuchten mehrere „myboshi“- Mützen aus den Regalen, die, so Gerlinde Erhardt, ebenfalls einen Anstoß für das Jahresthema und letztlich die Ausstellung geliefert hatten. Dass Merinowolle gerne in Sportfunktionskleidung verarbeitet wird, weil sie so mancher Kunstfaser das Nachsehen gibt, wird auch nicht jeder wissen. „Man darf sie nur nicht zu heiß waschen“, sagt Gerlinde Erhardt, „sonst geht die Struktur kaputt.“ Die Teppiche, die an Geräten wie dem ebenfalls präsentierten Webrahmen entstehen, kennen dagegen wohl die meisten.

Sprichwörter und Redensarten

Verständlich erklärt werden alle Ausstellungsobjekte auf laminierten Blättern an den Tischen. Wem das als Lesestoff noch nicht reicht, darf in den Kärtchen schmökern, die an zwei Holzgestellen mitten in den Räumen stehen. Viel Arbeit hat sich hier Lothar Brünner gemacht bei der Erläuterung von Sprichwörtern und Redensarten zum Thema. „Die Hammelbeine lang ziehen“, damit wird eine grobe Zurechtweisung oder Bestrafung umschrieben. Ursprünglich zurückzuführen ist der Satz aber darauf, wenn der Schäfer ein Tier mit dem Hakenstock aus der Herde herauszog. Eine weitere Erklärung: Der Metzger streckt die Beine des Hammels beim Häuten. Immerhin, von da ist es nicht mehr weit zum Braten mit Gurken, gedämpft in der Puddingform natürlich.

„Wolle und mehr . . .“, Ausstellung des Heimatvereins Oberasbach, Hirtengasse 2, bis 2. November, jeweils an den Wochenenden 14 bis 16 Uhr.

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