Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen

29.8.2011, 20:56 Uhr
Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen

© Gisa Spandler

Als Angelika Feisthammel von Mitarbeitern des Landrats angesprochen wurde, ob sie sich vorstellen könnte, Nachfolger von Professor Norbert Lompa zu werden, der sich bisher um die Anliegen gehandicapter Menschen im Landkreis kümmerte, musste sie sich erst einmal Bedenkzeit ausbitten. Nicht, weil sie sich das Amt nicht zutraute, sondern weil sie bereits in acht weiteren ehrenamtlichen Gremien saß und sich überlegen musste, ob sie die zusätzliche zeitliche Belastung auf sich nehmen wollte und konnte.

 

Nachdem sie jedoch ihre Zustimmung gegeben hatte, ging es ganz schnell, obwohl es noch weitere Mitbewerber gab. Der Ausschuss für soziale Fragen sprach sich ebenso einstimmig für Feisthammel aus wie im Anschluss der Kreistag. Besonders freute sie sich darüber, dass man ihr den Auftrag quer durch alle Fraktionen zu traute.

 

Ausschlaggebend bei dieser Wahl waren wohl mehrere Punkte, wobei die Tatsache, dass Feisthammel selbst Rollstuhlfahrerin ist und daher eine ganz besondere Perspektive auf die Dinge hat, noch nicht einmal am schwersten gewogen haben dürfte. Als besonders wichtige Voraussetzungen bewertete man wohl ihre generelle Aufgeschlossenheit, ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten und die dadurch entstandenen Beziehungen zu Vereinen, Verbänden, Behörden und Institutionen.

Die 1962 geborene Angelika Feisthammel ist seit ihrer Geburt spastisch gelähmt, in Erlangen und Nürnberg aufgewachsen und hat nach dem Realschulabschluss die mittlere nichttechnische Beamtenlaufbahn eingeschlagen. Heute betreibt sie zusammen mit ihrem Mann ein Taxi- und Mietwagenunternehmen. Daneben engagiert sie sich beim Roten Kreuz, beim Jugendrotkreuz, im Jugendhilfeausschuss des Kreistags, im Vorstand des Kreisjugendrings, als Jugendschöffin am Amtsgericht, im Pfarrgemeinderat, im Gemeinderat Burgthann und beim Jugendforum Burgthann.

Es muss nicht erwähnt werden, dass sie dem bürgerschaftlichen Engagement einen hohen Stellenwert beimisst und zwar nicht nur als obligatorische Verzierung in den Fensterreden der Politiker. Fünf Jahre wird sie ihre neue Funktion ausüben, nach einem Jahr wird geprüft, ob ihre Aufgaben überhaupt noch ehrenamtlich zu leisten sind. „Noch geht es“, findet sie, doch wenn sie aufzählt, was alles in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, mag man es bezweifeln.

Die Beratung des Landkreises bei der Umsetzung des Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist eine von ihnen. Insbesondere im Bauwesen ist ihre Meinung gefragt, denn wie Straßenübergänge beschaffen sein müssen, dass sie auch für Rollifahrer und Blinde risikolos zu passieren sind, weiß die Behindertenbeauftragte besser als der Tiefbaumitarbeiter.

Ihre Vorschläge seien bisher immer ohne Abstriche übernommen worden, berichtet sie nicht ohne Stolz. Auch bei der Satzung des Landkreises für die Behindertenbeauftragte, deren Gültigkeit vor kurzem auslief und die neu formuliert werden musste, wirkte sie beratend mit. 

Kontakte zu Institutionen und Verbänden aufbauen und pflegen

Ferner gehört es zu ihren Aufgaben, die Kontakte zu Institutionen und Verbänden aufzubauen bzw. zu pflegen, auch die zu einzelnen Personen. „Im Augenblick mache ich meine Antrittsbesuche“, erklärt sie ihre aktuelle Tätigkeit. So hat sie sich erst kürzlich bei der Lebenshilfe vorgestellt, andere Organisationen werden folgen.

Hier geht es im wesentlichen um den weiteren Ausbau eines Netzwerkes, auch mit den Behindertenbeauftragten, die es schon in einigen kreisangehörigen Kommunen gibt. Durch eine engmaschige Vernetzung soll sich die Möglichkeit ergeben, sich mit lokalen Fragen zu Behinderungen und zu einer barrierefreien Umwelt erst einmal an einen Ansprechpartner der Gemeinde zu wenden.

Mit ganz konkreten, auch sehr persönlichen Problemen wird sie in ihrer Sprechstunde konfrontiert. Die findet einmal im Monat für zwei Stunden im Landratsamt statt, und dabei kommt es durchaus vor, dass die Zeit ordentlich überschritten wird, wenn nicht alle Fragen in der vorgegebenen Zeit beantwortet werden können.

Hauptanliegen der Gehandicapten ist die Unterstützung bei Behörden

Das Hauptanliegen der Gehandicapten, die zu ihr kommen, ist die Unterstützung bei Behörden. Hier hilft es oft, wenn die offizielle Kreisbeauftragte eine deutliche Stellungnahme abgibt, notfalls auch gegen das eigene Landratsamt. Auch bei der Durchsetzung der Gleichstellung von behinderten Frauen und Männern ist sie gefragt. In diesem Bereich arbeitet sie eng mit Anja Wirkner zusammen, der am Landratsamt Zuständigen für Fragen der Gleichberechtigung.

Dass sie sich aber nicht nur um die festgeschriebenen Projekte ihres Amtes kümmert, ist für sie eine Selbstverständlichkeit. So war sie kürzlich im Bezirkstag dabei, als es um die umstrittenen Eingliederungshilfen ging, die derzeit für heftige Diskussionen zwischen Bezirk und Kommunen sorgen. Und dabei stellte sie sich auf die Seite der Demonstranten, die dem Bezirkstag den Rücken stärkten, damit er sich nicht von den Sparforderungen der Städte und Gemeinden in die Knie zwingen lassen muss. Auch ist es schon vorgekommen, dass sie Betroffene im Landkreisnorden zu Hause aufsuchte, weil es galt, sie bei Schwierigkeiten zu unterstützen und ein persönliches Gespräch hilfreich erschien.

Nach ihrem zeitlichen Aufwand gefragt, muss Angelika Feisthammel lange nachdenken und im Laufe des Gesprächs die hochgerechnete Stundenzahl pro Monat immer wieder nach oben korrigieren. „30 Stunden pro Monat vielleicht“, meint sie, doch immer wieder kommen neue Jobs dazu, wie das Durchwälzen von Broschüren, die Teilnahme an Fachtagungen und Seminaren. Dass sie noch nie über ihren Zeitaufwand nachgedacht hat, zeigt ihre Einstellung zu den Herausforderungen, denen sie sich gestellt hat.

Inklusion statt Integration

Und was liegt ihr selber besonders am Herzen? Wie aus der Pistole geschossen antwortet sie: „Die Inklusion“. Die Integration behinderter Menschen sei zwar schon ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, doch sei dies eher im Sinne von Nachbessern zu verstehen. Sie fordert eine Gleichstellung Behinderter mit Nichtbehinderten von vornherein. In den Bereichen Schule, Wohnung, Beruf sollte das Wunsch- und Wahlrecht so weit wie möglich realisiert werden, findet sie.

Dass es auch hier Grenzen gibt, ist Feisthammel klar. „Die Durchsetzung dieses Prinzips kostet eben und kann nicht auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen werden“, weiß auch sie. Auch wird es immer Menschen geben, die nicht selbstständig leben und arbeiten können und auf besondere Einrichtungen angewiesen sein werden. Doch eines sollte immer höchste Priorität haben, fordert sie: „Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen.“

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