"Die goldene Zeit der Pressefotografie ist vorbei"

16.5.2018, 21:49 Uhr

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Herr Geiger, haben Sie in der Ausstellung, die gerade im Museum Industriekultur zu sehen ist, ein Lieblingsbild entdeckt?

Thomas Geiger: Es sind gleich mehrere, sie stammen aus der Serie zur "Landshuter Hochzeit" von Sebastian Beck, eigentlich ein schreibender Kollege. Fotografisch ist das hervorragend gemacht. Das bezeichnendste Bild des Jahres 2017 war für mich allerdings Günter Distlers Aufnahme von Markus Söder am Wöhrder See. Die Selbstdarstellung des heutigen bayerischen Ministerpräsidenten — als Pressefoto hat mir das am besten gefallen.

 

Was hat Sie denn einst dazu bewogen Fotograf zu werden?

Geiger: Das begann schon früh. Ich war bereits als Gymnasiast für die Hersbrucker Zeitung mit der Kamera bei Fußballspielen unterwegs. Es machte einfach Spaß, und ich merkte, dass das ein Beruf für mich wäre. Normalerweise dauert die Fotografen-Ausbildung drei Jahre, ich war allerdings an der Fotoschule in München, da waren es zwei Jahre.

 

Ausbildung ist die Basis. Doch für Pressefotografen gelten ja spezielle Anforderungen . . .

Geiger: Ja, es geht wie bei den schreibenden Kollegen darum, eine Geschichte zu erzählen. Und das, wenn es perfekt läuft, mit einem Bild. Es macht einen Pressefotografen aus, dass er den Überblick über das Geschehen hat und sieht, was gerade das Wesentliche ist. Und das natürlich meist unter Zeitdruck. Leider gibt es eine explizite Bildjournalisten-Ausbildung heute kaum noch. Es werden nur ganz wenige Volontariate angeboten, etwa bei der Deutschen Presseagentur. Ich finde das sehr schade.

 

Das Berufsbild hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark gewandelt. Wo sehen Sie die größten Veränderungen?

Geiger: Die goldenen Zeiten sind vorbei. Wenn Sie nur mal daran denken, wie viele Fotoreportagen es früher gab. Zu Hoch-Zeiten hatte etwa der Stern rund 15 Fotografen. Die hatten Zeit und finanzielle Mittel, um Geschichten aus einer Hand zu realisieren. Das ist vorbei. Heute werden die Bilder meist zusammengekauft und Reportagen zusammengebaut. Bei Pressefotografen im Tagesjournalismus kam die Arbeit für den Online-Auftritt dazu. Da werden dann mit Bild-Serien, die auf hohe Klick-Zahlen zielen, Ereignisse aufgebauscht, die es oft gar nicht wert wären, die man früher mit einem Bild abgedeckt hat. Auch die neue Datenschutzverordnung wird Veränderungen bringen. Da ist einiges noch ungeklärt.

 

Inzwischen gibt es Agenturen, die Bilder zu allen Themen anbieten. Wie wirkt sich das auf den Stellenwert der Fotografen aus?

Geiger: Das Bild an sich zählt nicht mehr viel. Zwar sind alle Medien voll mit Fotografien, aber das, was nötig ist, um ein gutes Bild zu machen — und damit der einzelne Fotograf —, wird nicht wertgeschätzt. Daher gibt es auch die Aktion "Fotografen haben Namen" des Deutschen Journalistenverbandes. Damit versuchen wir, die Bildjournalisten ans Licht zu bringen, die bisher bei der bloßen Nennung der Agentur, etwa der dpa, einfach untergegangen sind.

 

Heute kann eigentlich jeder, der ein passables Smartphone hat, druckreife Bilder herstellen . . .

Geiger: Klar, die Technik macht heute alles möglich. Das kann man nicht aufhalten. Diese Veränderungen treffen ja auch Texter, Grafiker und viele andere Kreative. Der Beruf des Fotografen ist wie der des Journalisten nicht geschützt. Jeder, der sein Handy bedienen beziehungsweise fünf Zeilen formulieren kann, darf sich so nennen. Das wird auch ausgenutzt, entsprechend viele "Fotografen" gibt es etwa auf Facebook. Andererseits wird aber immer Qualitätsjournalismus gefordert. Als Profi muss ich mir da also Nischen suchen, die ein Laie nicht bedienen kann, um zu überleben.

 

Heißt das in letzter Konsequenz nicht auch, dass der Beruf des festangestellten Pressefotografen angesichts der technischen Entwicklung früher oder später ausstirbt?

Geiger: Es gibt durchaus noch junge Kollegen, aber tatsächlich nicht im Festangestellten-Bereich. Die Nürnberger Nachrichten beziehungsweise die Nürnberger Zeitung haben ja glücklicherweise noch ein festes Team, allerdings sind die Kollegen auch nicht mehr ganz jung. . .

 

 

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