Die Schattenseite der Nachverdichtung in Zirndorf

14.2.2016, 06:00 Uhr
Die Schattenseite der Nachverdichtung in Zirndorf

© F.: sd

„Es fehlt an Wohnungen, jetzt wird auf Teufel komm raus gebaut“, klagt der Weinzierleiner Walter Memmel. Vor 15 Jahren wollte er sein Dach um Gauben erweitern, „das wurde uns verweigert, weil es dem vorherrschenden fränkischen Baustil nicht entsprach; jetzt soll hier ein Gebäude mit einem Flachdach auf 11 Metern Höhe entstehen, da wird doch mit zweierlei Maß gemessen“, ärgert er sich.

Im Bauausschuss sprachen sich die Stadträte einhellig gegen beide Projekte aus. In jedem Fall wurden sie als zu wuchtig und der umgebenden Bebauung nicht angemessen abgelehnt. Die Krux aber ist, rein baurechtlich wären sie nach Einschätzung des städtischen Bauamtes durchaus zulässig. Maßgeblich ist Paragraf 34 des Baugesetzbuches, der für den unbeplanten Innenbereich gilt, für Gebiete also, in denen kein Bebauungsplan greift, und das ist in historisch gewachsenen Ortskernen meist der Fall.

Entscheidend ist dort bei Neubauten, dass sie sich in die nähere Umgebung einfügen. Was sich einfügt, ist letztlich Auslegungssache, „rechtlich ist das ein schwammiger Bereich“, so Bauamtsleiter Gerhard Klein. Weshalb bei Baufällen, die unter Paragraf 34 BGB fallen, im Zweifel gern auch einmal Verwaltungsgerichte befasst werden. Und da gilt, so Klein, das geflügelte Wort, „auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“.

Kleins Abteilung hatte sowohl für die Bauvoranfrage in Weiherhof wie für den Bauantrag in Weinzierlein empfohlen, das gemeindliche Einvernehmen zu signalisieren. Der Bauausschuss war dazu nicht bereit und diskutierte das Weiherhofer Projekt ausführlicher. Die Mitglieder dürften alarmiert gewesen sein. Norbert Haas, direkter Anlieger des geplanten Zehn-Familienhauses mit ebenerdige Tiefgarage, zwei Vollgeschossen und zurückversetztem Penthouse obenauf, hatte sie alle persönlich angeschrieben und erläutert, warum er und seine Nachbarn vehement gegen die zehn Wohnungen im Block sind.

Im Kern des Orts, gerade einmal 60 Meter vom Dorfplatz entfernt, würde auf einem Grundstück, nicht größer als die umliegenden, die lediglich mit Ein- oder Zweifamilienhäusern bebaut seien, ein „überdimensionierter Klotz“ entstehen, der selbst höher gelegene Häuser überrage. Im Umkreis gebe es keinen anderen Bau, der diese Dimension erreiche. Das Gebäude würde das Ortsbild stark und zum Nachteil verändern.

Phalanx der Ablehnung

Im Bauausschuss tat sich parteiübergreifend eine Phalanx der Ablehnung auf: Abgesehen davon, dass es nicht nur Marcus Spath (SPD) als anmaßend und frech verurteilte, dass der Grundstückseigentümer und Bauherr bereits im Sommer vergangenen Jahres das Grün, darunter fünf geschützte Bäume, ungenehmigt abräumte, bewerteten die Stadträte das Gebäude als zu massiv. „Das passt da einfach nicht hin“, befand Dieter Sebastian (CSU) als alteingesessener Weiherhofer.

In Erwiderung auf Wolfram Schaas (Grüne) Einwand, der Bauherr denke nur an Gewinnoptimierung, erklärte Zwingel, dass es nicht strafbar sei, Geld zu verdienen. „Da müssen wir uns schon etwas anderes als Begründung für die Ablehnung einfallen lassen.“

Doch so einfach ist das nicht, wie Michael Karl vom Bauamt erläuterte. Unbenommen reize der Antragsteller Paragraf 34 des Baugesetzbuches aus, meinte er. Nur seien weder die Höhe des Gebäudes relevant noch Grenzabstände: Entscheidend sei die umliegende Bebauung und die beziehe sich nicht nur auf direkte Anrainer, sondern auf das Quartier und da fänden sich durchaus Gebäude mit ähnlicher Kubatur.

Wie weit der Umgriff bei der umliegenden Bebauung gefasst werden könne, darüber so Karl auf Nachfrage Zwingels, gebe es keine Vorgaben. Freilich könne man den Bereich enger fassen, riskiere dabei aber, „dass das Landratsamt als genehmigende Behörde sagt, liebe Stadt, du siehst das etwas zu kleinteilig“.

Im Speckgürtel Nürnbergs und damit im Verdichtungsraum gelegen, gelte für Zirndorf zudem die landesentwicklungsplanerische Maxime, der innerörtlichen Nachverdichtung den Vorrang vor der Ausweisung neuer Baugebiete zu geben. Für Karl allerdings ist es ausgemacht, „dass wir uns von dem Gedanken verabschieden müssen, dass in solchen Baulücken nur Ein- oder Zweifamilienhäuser entstehen. So schaut Nachverdichtung heute eben aus“.

Sandra Haubers Anregung folgend, schlug Zwingel vor, den Bauherren zu bitten, seine Planung etwas abzuspecken. Er hat einen Antrag auf Vorbescheid gestellt, weshalb das Bauamt die jetzige Variante ohne gemeindliches Einvernehmen ans Landratsamt als eigentlich genehmigende Behörde weitergeleitet hat, wie Karl auf Nachfrage erläuterte.

2 Kommentare