Doro begleitet Jonas auf dem Weg ins Leben

8.11.2015, 06:00 Uhr
Doro begleitet Jonas auf dem Weg ins Leben

© Foto: Sabine Rempe

Doro hat es sich gemütlich gemacht. Gelassen liegt sie am Durchgang zur Küche und lässt sich die Sonne aufs goldbraune Fell scheinen. Nichts unterscheidet die junge Hundedame in diesem Moment von anderen Vertretern ihrer Art. Bis auf eines – Doro lässt Anett Reinsch keinen Moment aus den Augen.

„Sie achtet darauf, ob es eine Aufgabe, beziehungsweise einen Befehl für sie gibt“, erklärt die 35-Jährige. Sie ist die Mutter von Jonas und spielt in der Ausbildung von Doro zum Autismusbegleithund eine wesentliche Rolle. Denn Jonas leidet unter frühkindlichem Autismus, auch Kanner-Syndrom genannt. Es handelt sich dabei um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die mit gravierenden Schwierigkeiten in der Wahrnehmung, der Kommunikation und der Beziehungen zu anderen einhergeht.

Sauerstoff und Magensonde

„Jonas’ Start ins Leben war holprig“, sagt Anett Reinsch. Der Junge kam in der 24. Schwangerschaftswoche mit 765 Gramm Gewicht zur Welt, musste acht Monate im Krankenhaus bleiben und war auch zu Hause für weitere drei Jahre an Sauerstoff, eine Magensonde und einen Monitor angeschlossen. „Wir sind dankbar, dass er lebt“, fasst die Mutter die Gefühle der Familie zusammen, zu der außerdem Vater Christian (36) und Tochter Anna (9) gehören.

„Seine Schwester hat mit ihrer fröhlichen und positiven Art ganz viel dazu beigetragen, dass Jonas heute so ist wie er ist“, meint Anett Reinsch erfreut. Denn Jonas ist ein Junge, der seinen Weg geht. Vieles, was sich Kinder scheinbar mühelos aneignen, muss er intensiv lernen. Logo- und Ergotherapie, Krankengymnastik und natürlich der unermüdliche Einsatz seiner Familie sind dabei eine wesentliche Unterstützung. Mittlerweile beginnt Jonas, der die Hallemann-Schule in Fürth besucht, auch langsam zu sprechen, was ihm bislang nicht möglich war.

„Vielleicht hat das tatsächlich etwas mit Doro zu tun“, überlegt seine Mutter. Sie setzte sich sorgfältig mit dem Thema Autismusbegleithund auseinander, erwog, ob der Sohn davon profitieren könnte, bevor sich die Familie für Doro entschied. „Uns ging es vor allem darum, Jonas mehr Freiheit zu geben und zugleich sein Selbstbewusstsein zu stärken“, erklärt sie. „Denn freilich es ist für ihn etwas anderes, mit Doro an der Leine zu laufen, als mit der Mutter.“ Der Entscheidung für den Hund gingen viele Abwägungen voraus: „Er muss in unsere Wohnung passen, sollte also nicht zu groß sein. Ein ruhiges, ausgeglichenes Wesen war auch eine wichtige Voraussetzung.“ Doro erfüllt alle Bedingungen perfekt. Die einjährige Hundedame sei einfach „ganz lieb“. Sie ist ein Goldendoodle, eine Kreuzung aus Golden Retriever und Pudel (auf englisch Poodle), die seit den 90er Jahren zunächst nur in Amerika gezüchtet wurde.

Doch bis aus einem freundlichen Vierbeiner ein Therapiehund wird, ist ein umfassendes Training nötig. Nicoletta Reina aus Gunzenhausen ist die Fachfrau, die diese Aufgabe übernommen hat und gemeinsam mit Jonas und seiner Mutter arbeitet. Das Besondere bei Autismusbegleithunden ist nämlich, dass zwei Menschen eingebunden sind. Jonas lernt, wie Doro ihn bei bestimmten Aufgaben unterstützen kann, die Hauptverantwortung für den Hund trägt aber Anett Reinsch. Genauso wichtig ist es, dass auch die anderen Familienmitglieder eine gute Beziehung zu Doro aufbauen.

Die gelehrige Hündin trainiert unter anderem, Jonas sicher zu führen, wenn er sie an der Leine hat und nicht zuletzt verhindert sie, dass er spontan wegläuft oder plötzlich auf die Straße rennt. Sie kann ihn zum Beispiel auch durch Menschenmengen geleiten – eine Situation, die vielen Autisten große Probleme macht – oder sie kann ihm Gegenstände bringen. „Das könnte etwa ein Handy sein, das dafür in einen Waschlappen gesteckt wird.“ Dank der freundlichen Hündin könnte für den Jungen aber auch der Kontakt zu anderen Kindern in Zukunft ein wenig leichter werden. Gemeinsam mit der versierten Hundetrainerin wurde ein individuelles Konzept ausgearbeitet, dass Doro mehr und mehr zu einer wertvollen Hilfe, einem Freund und Begleiter, für Jonas macht.

Viel Sympathie erfahren

Die Ausbildung ist zeitintensiv und verlangt viel Hingabe. „Würde man einen Hund kaufen, der komplett ausgebildet ist, müsste man zwischen 25 000 und 30 000 Euro zahlen“, weiß Anett Reinsch. Da sie unter Anleitung von Nicoletta Reina selbst mit Doro arbeitet, reduzieren sich die Kosten. Mit rund 10 000 Euro muss sie aber rechnen. Eine beträchtliche Summe, doch die Familie sieht die Erfolge: „Wir erleben schon jetzt, dass Jonas mit seinem Hund weiterkommt.“ Was Anett Reinsch und ihre Familie berührt, ist die Sympathie, auf die Jonas und Doro überall stoßen.

Das beste Beispiel ist für sie eine Aktion der Oberasbacher Tanzschule Forum von Ute Späth und Andreas Lassen, die bei einem Show-Tag zu Spenden für die Ausbildung von Doro aufriefen. „Das ist einfach ganz toll“, sagt Anett Reinsch lächelnd, „wenn man so viel Verständnis spürt.“

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