Drexler: Diskreter Hüter der nationalen Fußballschuhe

28.8.2012, 09:50 Uhr
Drexler: Diskreter Hüter der nationalen Fußballschuhe

© dpa

Braun gebrannt und mit einem Grinsen kommt Manfred Drexler durch die Tür im Vereinsheim des TSV Winkelhaid. Sein Händedruck ist fest. Noch bevor er sich setzt, murmelt er etwas von Stress und blickt wie zur Bestätigung auf seine Armbanduhr. Der Trainer der Winkelhaider Fußballer scheint trotz Ruhestands nicht zur Ruhe zu kommen. Manfred Drexler muss gleich zum Training. Der große Traum, in der Bezirksliga zu bleiben, hat sich für den TSV erfüllt. Nun heißt es: Dranbleiben, nur nicht nachlassen.

Definitiv komme da keine Langeweile auf, berichtet der Pensionär. „Meine Frau beschwert sich schon über mein neues Rentnerdasein.“ Bis vor 30 Jahren hatte der 61-Jährige selbst noch aktiv gespielt, beim 1.FC Nürnberg, Darmstadt 98 und Schalke 04. Ein Knöchelbruch beendete seine Karriere als Kicker. Diejenige als Service-Mann für den DFB-Ausstatter adidas in Herzogenaurach begann. Er war zuständig für die Ausstattung der Nationalelf, der U21 und der Frauen. Das Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der diesjährigen Europameisterschaft war auch für Drexler der Abpfiff seines Berufslebens.

Mit Kahn begann alles

Als er als Service-Mann anfing, 1985 war das, sah die Fußballwelt noch ein klein wenig anders aus. „Früher ging alles nicht so schnell“, erzählt Drexler. Da gab es einen Zeugwart, der für alles zuständig war. Die Spieler kümmerten sich selbst um ihre Schuhe. Oliver Kahn, der Titan, machte Schluss mit dieser Gepflogenheit. „Kahn wollte, dass ich seine Schuhe pflege“, sagt Drexler, „So hat es angefangen.“ Drexler war seitdem als Herr über das DFB-Schuhreich in der Presse bekannt. Pikante Details über den Torwart und die anderen Spieler kann man Drexler nur schwer entlocken. Diskret und professionell behält er Klatsch für sich – auch wenn er als Mann im Hintergrund sicherlich so einiges gesehen hat. Nur ein wenig gibt er preis: „Kahn ist ein Einzelgänger.“ Drexler überlegt kurz, ergänzt: „Torhüter sind immer Einzelgänger.“

Starallüren gebe es bei den Spielern sowieso nicht. Eine Diva, die hat Drexler hingegen auf der Hochzeit von Michael Ballack kennengelernt. Elton John war extra angereist, um für den Profikicker und seine Angetraute zu klimpern. „Der konnte nur auf einem bestimmten Flügel spielen, die Luft um das Instrument musste eine bestimmte Temperatur haben, und Autogramme hat er auch nicht gegeben“, erzählt Drexler. Ihm ist anzumerken, dass er mit solch einem Auftreten nicht viel anzufangen weiß.

Auch wenn er nicht gern aus dem Nähkästchen plaudert, Geschichten aus dem Berufsalltag hat er einige zu erzählen. Zum Beispiel von dem Spiel, als die Schuhe von Per Mertesacker verschwunden waren. Das war bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Die Nationalelf spielte um Platz drei. Drexler hatte die Schuhe der Spieler auf einen Tisch gestellt, um sie später in den Taschen zu verstauen. Doch Mertesackers Schuhe waren verschwunden. „Ich war ganz aufgelöst“, gesteht Drexler, schließlich war er doch für die Treter verantwortlich. „Und dann kam Mertesacker zum Bus und hatte die Schuhe auch nicht dabei, nur seinen Kulturbeutel.“

"Wissenschaft" und Schulzuweisungen

Ersatzschuhe mussten her, doch die waren nicht eingelaufen. Also hieß es für Drexler, die Schuhe mit Wasserdampf und Druck für den Profifuß anzupassen. Für Mertesacker war das kein Problem. „Manche Spieler machen aus dem Einlaufen aber auch eine Wissenschaft“, weiß Drexler. Wenn es im Spiel einmal nicht so laufe, dann sei eh das Trikot oder der Schuh schuld, weiß der DFB-Mann aus jahrzehntelanger Erfahrung.

Der Reiz des Ruhestands

Das Geheimnis um den verschwundenen Schuh löste sich bei der Ankunft im Hotel übrigens noch auf: Die Putzfrau hatte Mertesackers Treter versehentlich vom Tisch gestoßen. Am Boden liegend waren sie dann übersehen worden.

Die Spieler wird er schon vermissen. Auch wenn es für Drexler keinen Unterschied zwischen Nationalelf und Winkelhaider Kickern gibt. „Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt Drexler. Hier wie dort höre die Jugend die gleiche Musik, hänge die Generation am Smartphone. Das Handy werde nie ausgemacht. Für ihn steht fest: „Ich möchte nicht mehr jung sein.“ Durch seine Sportler bekomme er viel mit von der Schnelllebigkeit der Zeit, dem Leistungsdruck in der Arbeit. Dass einer wie er 26 Jahre in der gleichen Firma beschäftigt sei, das gebe es heute doch gar nicht mehr.

Reisen, Pferde und ein schwarzer Flitzer

Drexler erlebte sieben Weltmeisterschaften und sieben Europameisterschaften. „Das ist fast gar nicht mehr zu toppen“, sagt er selbst. Wenn er nicht mit seiner Frau reist, was er jetzt gerne tut, genießt er fortan seine Zeit in seinem Haus in Ungelstetten mit seinem Enkel und den zwei Pferden oder braust mit seinem Traum auf vier Rädern durch die Landschaft. Einen schwarzen SLK hat er sich gegönnt, den hat er schon immer haben wollen. „Wenn ich gewusst hätte, dass der Ruhestand so schön ist, hätte ich das schon früher gemacht.“

Keine Kommentare