Es muss nicht immer das Gymnasium sein

18.8.2011, 13:00 Uhr
Es muss nicht immer das Gymnasium sein

© Hans-Joachim Winckler

16 Prozent eines Schülerjahrgangs in Bayern erwerben mittlerweile eine Studienberechtigung nicht über das Gymnasium, sondern über die Fach- und Berufsoberschule (FOS beziehungsweise BOS).Das differenzierte Schulsystem stelle damit unter Beweis, dass es eine „höhere Chancenausschöpfung“ biete als eine „Einheitsschule“ oder eine „Gesamtschule neuer Ausprägung“, sagte Kultusminister Ludwig Spaenle in München. Diesen bildungspolitischen Forderungen der Opposition könne er daher „rein gar nichts abgewinnen“. 26 Prozent der Schüler eines Jahrgangs legen ihr Abitur an einem Gymnasium ab.

FOS und BOS sind nach den Worten Spaenles der „dynamischste Teil des differenzierten Bildungswegs“ und hätten dafür gesorgt, dass heute 42 Prozent der Studienberechtigungen in Bayern außerhalb des klassischen Weges über das Gymnasium erworben würden. Im vergangenen Frühjahr hatten an den Fach- und Berufsoberschulen des Freistaats mehr als 27.000 junge Menschen ihr Abitur oder Fachabitur erworben. Seit dem Schuljahr 2000/2001 ist die Anzahl der Schüler an FOS und BOS nach Angaben des Kultusministeriums von etwa 35.700 um 58 Prozent auf 56.400 im Schuljahr 2010/2011 angestiegen. 25 Fachober- und elf Berufsoberschulen wurden in diesem Zeitraum neu gegründet.

Dem wachsenden Andrang auf diese Schularten trägt das Kultusministerium mit 128 zusätzlichen Planstellen zum neuen Schuljahr Rechnung. Spaenle räumte ein, dass dies nicht ausreichen werde, um mit den steigenden Schülerzahlen Schritt zu halten. Nach Ansicht des Bayerischen Philologenverbands (bpv) sind zur Bewältigung des ungebrochenen Schülerzustroms 400 zusätzliche FOS- und BOS-Lehrer notwendig. Beim Aufbau des zweiten Weges zur Erlangung der Hochschulreife habe die Staatsregierung leider „vergessen“, die Zahl der Lehrer entsprechend aufzustocken, erklärte bpv-Vorsitzender Max Schmidt. Es sei zu befürchten, dass sich diese Schulen ohne zusätzliche Lehrer „zu Tode siegen“ könnten.

Ebenfalls zum in Kürze beginnenden Schuljahr 2011/2012 werden an den Standorten Friedberg, Neusäß, Regen, Marktredwitz und Waldkirchen neue BOS an den Start gehen. Eine Vorklasse für die Fachoberschule als freiwilliges Vollzeitangebot wird es erstmals in Altötting, München und Kitzingen geben.

Am Standort Fürth wird zum neuen Schuljahr ein Ganztagskonzept an der Max-Grundig-Fach- und Berufsoberschule als „Intensivklasse“ mit Ganztagsbetreuung erprobt. Die Botschaft von den Möglichkeiten, ohne Gymnasium zur Hochschulreife zu gelangen, „kommt an“, sagte Spaenle.

So sehr, dass die Max-Grundig-Schule aus allen Nähten platzt: In diesem Sommer haben dort 385 Schüler ihren Abschluss gemacht. Bei der Überreichung der Abiturzeugnisse veranlasste das Oberstudiendirektor Reinhold Kunkel zu Rechenspielen: Selbst zusammengenommen kommen die drei Gymnasien der Stadt nicht auf so viele Abiturienten.

Um alle Schüler zu ehren, benötigte die MGS gleich zwei Abschlussfeiern. Sorge bereitet weiterhin die Raumnot: Trotz großzügiger Baumaßnahmen in den vergangenen Jahren kann die Schule den großen Andrang nicht bewältigen. Kunkel und seine Kollegen suchen daher nach neuen Räumen nahe dem Hauptgebäude in der Amalienstraße.