Franken muss sich gegen Neonazis wehren

4.10.2011, 11:00 Uhr
Franken muss sich gegen Neonazis wehren

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Wo anfangen? 2004 wurde die „Fränkische Aktionsfront“ wegen ihrer „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ vom bayerischen Innenministerium verboten. Deren Protagonisten treiben immer noch ihr Unwesen, allen voran der mehrfach vorbestrafte Matthias Fischer aus Fürth, der gegenwärtig eine Freiheitsstrafe absitzt. Sie tummeln sich jetzt im „Freien Netz Süd“, in dem auch schon mal zum „Krieg gegen das Scheiß-System“ aufgerufen wird, wie Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) betonte.

Bei diesem Netz liefen viele Fäden und Aktivitäten zusammen, sagte Mair auf einer vom ISFBB veranstalteten Tagung an der Ohm-Hochschule Nürnberg. Mair nannte die – im Gedenken an NS-Verbrecher Julius Streicher veranstalteten – alljährlichen „Nationalen Frankentage“, außerdem Flugblatt-Aktionen an Schulen im Kreis Weißenburg/Gunzenhausen, in denen indirekt Sympathie mit dem Massenmörder von Oslo bekundet wurde.

Die „Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA)“, die im Nürnberger Stadtrat zwei Mandate hat, gehöre in diesen rechten Sumpf genauso wie die „Bürgerinitiative Soziales Fürth“, die sich laut Mair an der nächsten Kommunalwahl beteiligen will. Oder die Wiese in Geschwand im Landkreis Forchheim, auf der mehrere der „Frankentage“ stattgefunden hatten. Die Frankentage gibt es zwar nicht mehr, doch die Neonazis versammeln sich, wie Bewohner berichten, nach wie vor dort – unbehelligt, obwohl sie spät in der Nacht noch Nazi-Lieder gröhlten.

Das hat, wie auf der Tagung deutlich wurde, wohl viel damit zu tun, dass viel Bürger den Nazi-Spuk immer noch ignorierten, um ihren Ort nicht in Misskredit zu bringen.

Beispiel Gräfenberg

Dass es anders geht zeigen die Beispiele Wunsiedel und Gräfenberg, wo es gelungen ist, die Neonazis durch massiven Widerstand zu vertreiben. Dies, und nicht Ignorieren oder Verschweigen, sei überall die bessere Methode, Nazis zu zeigen, dass sie unerwünscht sind: Darüber bestand bei der Tagung Übereinstimmung. Wo immer Rechtsextremisten auftauchten, offen als Ausländerfeinde oder auch unter dem Deckmantel eines sozialen Engagements, müssten Bürger gemeinsam aufstehen.

Gar nicht so einfach ist das freilich bei einer relativ neuen Form des Extremismus: dem von jungen Menschen mit ausländischen Wurzeln, die, so Politik- und Sozialwissenschaftler Kemal Bozay, auf der „Suche nach dem Wir-Gefühl“ seien, das sie in Deutschland nicht fänden. Bozay hat sich vor allem auf Studien mit und über junge Türken konzentriert. Und er fand, wie er in Nürnberg sagte, vor allem Argumentations-Muster, die eine Nähe zu deutschen Neonazis erkennen ließen.

Türkische oder und türkisch-stämmige Jugendliche, so Bozay, holten sich die Anerkennung, die ihnen die Aufnahmegesellschaft verwehrt, bei rechtsextremistischen Organisationen. Diese seien deutschen neonazistischen Gruppen durchaus verwandt, etwa in der nationalistischen Überhöhung, dem Führerkult, einem Rassismus, der Herabwürdigung von Minderheiten und der Akzeptanz von Hass und Gewalt.

Als besonders gefährlich nannte Bozay die „Grauen Wölfe“. Die gebe es zwar in Deutschland nicht mehr unter diesem Namen, aber weiterhin mit der gleichen Ideologie. Etwa bei der von der türkischen Bewegungspartei MHP getragenen türkischen „Federayson“ und der „idealistische Jugend“. Sie träten in Deutschland unter der Fahne eines „europäischen Türkentums“ auf: Lebensmittelpunkt sei Europa, aber mit Pflege der türkisch-nationalistischen Identität.

Die bisherigen Integrations-Konzepte haben da offenbar versagt, sagt Bozay. Sie seien vielmehr eher ein Teil des Problems. Eine bessere Lösung konnte er leider nicht anbieten.