Dem Wolf im Veldensteiner Forst auf der Spur

15.2.2018, 06:00 Uhr
Dem Wolf im Veldensteiner Forst auf der Spur

© Sebastian Linstädt

Der vierradgetriebe "Land Rover Defender" schaukelt gemächlich über den Forstweg. Sebastian Bäumler (30), Förster im östlichsten von drei Forstrevieren im Veldensteiner Forst, ist die Strecke schon zig Mal gefahren. Seine Augen ruhen nicht nur auf dem Kies vor ihm, sie schweifen aufmerksam umher. "Da drüben in den Pegnitzauen, da haben wir im April 2017 den ersten Riss gefunden", sagt der junge Förster und deutet mit dem Arm aus dem halb geöffneten Fenster auf der Fahrerseite.

Ein Wanderer war auf das verendete Stück Rotwild aufmerksam geworden und hatte den Forstbetrieb verständigt. "Wir hatten den Wolf ehrlich gesagt ja da noch nicht so auf dem Schirm", erklärt Bäumler. Das hat sich in den vergangenen neun Monaten grundlegend gewandelt.

Sichtungen des scheuen Räubers selbst sind zwar nach wie vor eine Seltenheit. Doch die Risse häufen sich. Und Bäumler findet immer wieder Fährten. Zuletzt Mitte Januar, mitten im Forst. Der Jeep fährt eine leichte Steigung hinauf, der Weg macht eine Linkskurve. Zu beiden Seiten dichter Wald. Bäumler steigt aus und deutet den Weg entlang. "Hier kam der Wolf herunter und wechselte dann in diese alte Rückegasse." Heute liegt hier nur unberührter Schnee.

Die Forstwege scheinen dem Tier insgesamt recht zuzusagen – "wahrscheinlich kommt man da schnell voran", sagt Bäumler und lacht. Auch hinsichtlich einer dritten Form des Wolfsnachweises ist dieser Umstand relevant: Losung. "Die wird schon mal mitten am Weg abgesetzt. Der Wolf markiert damit sein Revier", sagt Bäumler trocken. Knapp 15 Proben Wolfskot hat der Förster seit April eingesammelt, Tendenz zunehmend. "Vielleicht haben wir auch heute Glück."

Bäumler wendet den Geländewagen, weiter hinten ist der Harvester im Einsatz. Die Holzernte ist in vollem Gange. "Aber das stört den Wolf ebenso wenig wie die anderen Tiere", sagt Bäumler. Die Ausweichroute geht entlang einer alten, aufgelassenen Fütterung für das Rotwild. Sie gibt einen Hinweis darauf, warum der Veldensteiner Forst als Wolfsrevier besonders interessant sein könnte: "Wir haben hier im östlichen Forst nach wie vor einen starken Rotwild-Bestand", bestätigt Bäumler. Er beschreibt die erfolgreichen Versuche des Forstbetriebs, die gefräßigen Geweihträger im Teil östlich der Autobahn zu halten.

Rotwild auf der Speisekarte

In der sogenannten Kernzone des Veldensteiner Forstes findet das Rotwild eine Schutz- und Ruhezone vor, in der es unter dem Jahr nicht bejagt wird. "Erhöht sich der Druck durch Bejagung, nimmt der Schaden durch Verbiss stressbedingt zu", erklärt der Förster. Ein oder zwei Mal im Jahr finden deswegen große Bewegungsjagden statt, bei denen um die 200 Stück Rotwild geschossen werden.

Eine geschätzte Gesamtzahl der Tiere könne man daraus nur schwer ableiten, so Bäumler weiter. Sicher aber ist, dass sie auf der Speisekarte der Wölfe stehen. "An einem Rotwildriss bleibt in der Regel genug Genmaterial übrig, dass man eine Probe einsenden kann." Das unterscheide Rotwildrisse von Rehrissen, die sicher ebenfalls vorkommen. "Aber da findet man selten überhaupt noch was."

Bäumlers Pirsch auf den Wolf geschieht auch nicht – wie in der Fantasie mancher Großstädter – zu Fuß im Wald mit der Nase nah am Boden. Sondern ganz nebenbei, bei den ausgedehnten Jeep-Touren durch den Forst. "Meine Hauptaufgabe ist und bleibt der Holzeinschlag", stellt Bäumler klar – und tritt im nächsten Moment auf die Bremse.

"Sieht gut aus", murmelt der junge Mann noch, ehe er aus dem Wagen springt und ein paar Meter auf dem Waldweg zurückgeht. Dort, am Wegesrand, unscheinbar neben einem Nadelzweig, ragt ein kleines braunes Häuflein empor. "Die Farbe ist dunkler als bei gewöhnlichem Hundekot, das spricht für einen Wolf", sagt Bäumler nach eingehender Inspektion. "Wolfskot weist außerdem meistens Spuren von Haaren auf – das fehlt hier fast etwas." Dennoch beschließt der Förster, den Kothaufen einzupacken.

Flugs wird ein blaues Köfferchen gezückt, darin liegen neben den obligatorischen Einmalhandschuhen Probegefäße und Plastiktütchen. Und ein Zollstock. Akribisch macht er sich an die Vermessung der Hinterlassenschaft, notiert Durchmesser und Gesamtlänge. "21 Zentimeter", sagt er schließlich. "Ich hatte auch schon 30." Flugs wird der Kot luftdicht verpackt und eingeladen. "Ich bin mir nicht ganz sicher – aber wir schicken eine Probe ein", sagt Bäumler, als er den Motor wieder startet.

Ein ausgefülltes Datenblatt mit Fundort und Spezifika der Hinterlassenschaft geht an des Landesamt für Umwelt (LfU). Dieser Behörde obliegt das Wolfs-Monitoring in Bayern zentral. Die Probe selbst wird an des Senckenberg-Institut nach Gelnhausen bei Frankfurt geschickt. Die dortigen Experten verfügen über die genetische Datenbank aller nachgewiesenen Wölfe in Deutschland. Dank ihnen weiß Bäumler, dass "sein" Weibchen aus der Population in Brandenburg stammt.

Verändert es den Job, jetzt Förster im Wolfsrevier zu sein? "Eigentlich nicht, ich freue mich eher und sehe das ganz entspannt", sagt der junge Forstmann. An Übergriffe auf Menschen glaubt er angesichts des Nahrungsüberangebots im Veldensteiner Forst nicht. "Insgesamt werden Probleme mit Wölfen sicherlich nicht ausbleiben. Aber das ist in erster Linie jetzt ein politische Aufgabe. Und die sind dran."

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