Highspeed und ein großer Name im Schambachtal
22.9.2020, 06:04 Uhr
Holger Wanke schlägt die Hände über dem Aerohelm zusammen und schüttelt ungläubig den Kopf. "Gib mir nochmal das Smartphone", sagt er zu seiner Freundin. Erneut wandert sein Blick über die Ergebnisliste. Es stimmt. Wanke bleibt auf Rang eins. "Das ist mein erster erster Platz", freut sich der 31-Jährige aus Ingolstadt. "Dabei lief es heute gar nicht gut. Ich hatte schlechte Beine, aber die Zeit sagt etwas anderes."
Der für das "Racing Team Winax – food artists" startende Wanke ist neben dem U19-Fahrer Moritz Czasa vom RRC Endspurt Mannheim der schnellste der 200 Zeitfahrer – zumindest unter denen, die in der Ergebnisliste auftauchten. Denn am wohlsten fühlt sich auf dem Kurs zwischen den Jurahängen der WorldTour-Profi Jonas Rutsch (Education First). Der 22-Jährige braucht für die 16 Kilometer 18,51 Minuten. Wanke ist knapp 20 Sekunden langsamer, Czasa sogar nur drei Sekunden.
Rutsch fährt allerdings außer Konkurrenz mit – er will seine Form und sein Material für die anstehende BinckBank-Tour in Belgien testen. "Es hat mich gefreut, dass mir Organisator Ernst Knauer die Möglichkeit gegeben hat, unter Rennbedingungen ein solches Zeitfahren zu simulieren", sagt er. So erhält das Treuchtlinger Zeitfahren mit dem Überraschungsgast gleich bei der Premiere ein namhaftes Zugpferd.
Aufwendig zu organisieren
"Ein Radrennen in der Region zu veranstalten, spukte mir schon lange im Kopf herum", erzählt Knauer. "Dann hat sich der Vorstand für ein Zeitfahren entschieden, um auch etwas für den Nachwuchs zu tun." Zusammen mit Michl Eder, Michael Hauber und Max Schwarz stellte Knauer den Wettkampf mit Start und Ziel in Schambach auf die Beine.
Schon Monate zuvor lief die Vorbereitung, denn bis die Veranstaltung grünes Licht bekam, brauchte es etliche Genehmigungen. "Da hängt einiges dran", sagt Knauer: Landratsamt, Polizei, Gesundheitsamt, Feuerwehr, Bauhof, Rotes Kreuz, Bürgermeister und Ortssprecher. "Am wichtigsten war mir allerdings die Akzeptanz der direkt betroffenen Bevölkerung", so der Organisator. Schließlich ist die Kreisstraße von Schambach bis ins Laubenthal am Renntag mehrere Stunden lang komplett für den Verkehr gesperrt.
Die Starter danken es dem RC Germania mit hochklassigem Sport. Hoffnungsvolle Nachwuchstalente, Bundesligafahrer, lokale Größen und weither gereiste Zeitfahrspezialisten sind in Schambach am Start. Bürgermeisterin Kristina Becker freut sich über den Zuspruch. "Es ist toll, bei so einem Rennen einmal live dabei zu sein. Ansonsten kennt man das nur aus dem Fernseher", sagt die Rathauschefin. "Es ist eine besondere Atmosphäre und ein schöner Sport."
Rasanter Nachwuchs
Im Minutentakt wird gestartet. Insgesamt gibt es 14 Klassen, von den Jüngsten, den unter 13-Jährigen, bis zu den Senioren. Valentin Gempel strahlt mit Sofia Maurer um die Wette, als sie den Siegerpokal in den Händen halten. "Der kommt jetzt in mein Zimmer", sagt der elfjährige Weißenburger. Die gemeinsamen Trainingseinheiten mit Sofia haben sich für beide ausgezahlt. "Ich bin einfach Vollgas gefahren", erzählt Sofia nach dem für die Jüngsten abgespeckten Zeitfahren über fünf Kilometer.
Die letzte "Hürde" ist das 90 Zentimeter hohe Siegerpodest "Das ist die größte Steigung auf der ganzen Strecke", scherzt Ernst Knauer – was jedoch nicht ganz stimmt, denn auf dem Hinweg bis zum Wendepunkt im Laubenthal gilt es rund 50 Höhenmeter zu überwinden. Die kleinen Wellen kosten Kraft, dazu bremst der Gegenwind.
Auf dem Rückweg wird dafür Tempo gemacht. Durch Suffersheim geht es für die Schnellsten mit weit über 50 Kilometern pro Stunde. Kein Wunder also, dass alle Starter den Kurs loben. "Die Strecke ist genial. Dazu eine super Organisation", freut sich Krisztina Bajtai aus Fürstenfeldbruck, die das Jedermanns-Rennen gewinnt. Thomas Brunnegger vom Radsport Team Gaimersheim zollt vor allem Ernst Knauer und seinem Team Respekt: "Es ist wirklich beeindruckend, in der momentan schwierigen Zeit eine solche Veranstaltung erstmals zu organisieren."
Corona gibt die Spielregeln vor
Und so sind die Auswirkungen von Corona überall sicht- und spürbar: Fahrer mit Mundschutz auf dem Weg zum Start, ausgewiesene Distanzzonen, Abstandsregeln und vieles mehr. "Wir halten uns strikt an die gesetzlichen Bedingungen, die von der bayerischen Landesregierung vorgegeben wurden", sagt Knauer. Dazu hat der Veranstalter besondere Regeln für das Parken und das Erreichen des Start- und Zielbereichs entworfen: "Zwischen Dettenheim und Schambach, auf der alten B 2, haben wir Parkplätze ausgewiesen. Mit Einbahnverkehr zur Anmeldung und Strecke und einem weiteren Einbahnverkehr zurück zu den Parkplätzen sorgen wir dafür, dass die Distanzzonen gewahrt werden", so Knauer. Auch die Siegerehrung ist auf einer großen Wiese abgegrenzt.
Jürgen Böhm vom Radsport Team Gaimersheim ist einer der Fahrer, der Zutritt auf das abgesperrte Podium erhält. Der 48-Jährige gewinnt die Seniorenwertung. "Ein rundum gelungenes Event", lobt er. "Mich freut es vor allem, dass so viele junge Leute gekommen sind." Kein Wunder also, dass auch Knauer ein positives Fazit zieht: "Es war perfekt. Ich habe viele fröhliche Gesichter gesehen. Es gab viel Lob, und auch die Helfer waren zufrieden."
Bei der Frauen-Elite gewinnt Helena Bieber aus Bad Säckingen. Tags zuvor war sie noch bei der deutschen Bergmeisterschaft am Start. "Ich hatte schwere Beine, aber habe trotzdem mein Bestes gegeben. Die Strecke ist schön, und es hat richtig Spaß gemacht", erzählt sie.
Bieber erhält – wie alle Klassensieger – einen besonderen Preis: einen Pokal der Firma Krause aus Pappenheim. "Das sind Unikate, sie wurden vom Unternehmen extra ins Fertigungsprogramm aufgenommen", erklärt Knauer. Für Herren-Elite-Sieger Holger Wanke ist der Pokal damit gleich doppelt wertvoll – schließlich ist es sein "erster erster Platz".
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