Kohlenmonoxid: Eine unsichtbare und tödliche Gefahr

7.2.2019, 05:57 Uhr
Kohlenmonoxid: Eine unsichtbare und tödliche Gefahr

© Daniel Bockwoldt/dpa

Dieser Einsatz hat den Treuchtlinger Notarzt Michael Kratzer aufgewühlt. Am vergangenen Donnerstagabend behandelte er eine junge Frau mit einer lebensbedrohlichen Kohlenmonoxidvergiftung. Die Frau ist im Badezimmer bewusstlos zusammengebrochen, nachdem die Gastherme längere Zeit in Betrieb war.

Kohlenmonoxid (CO) ist ein farb- und geruchloses Gas und entsteht bei unvollständiger Verbrennung kohlenstoffhaltiger Materialien. Das kann etwa passieren, wenn ein Holzkohlegrill unzulässigerweise in einer Wohnung betrieben wird, genauso wie Gasheizstrahler. Einen besonders tragischen Fall gab es vor zwei Jahren im unterfränkischen Arnstein: Dort waren in einer Gartenlaube sechs Jugendliche erstickt, da ein nicht für Innenräume zugelassener Stromgenerator das tödliche Gas in der Hütte hinterlassen hatte.

Im Treuchtlinger Fall war offenbar die Gastherme im Bad defekt. „Das Problem liegt darin, dass die Patienten das entstehende und tödliche CO nicht wahrnehmen können“, so Kratzer. Es treten nur Beschwerden wie beispielsweise Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit oder Pulsbeschleunigung auf, die auch ohne akute Vergiftung vorkommen können. CO ist so gefährlich, weil bereits kleine Mengen im Blut zunehmend den Sauerstofftransport blockieren und so zu einem massiven Sauerstoffmangel im Körper führen.

Die Patientin aus Treuchtlingen musste mitten in der Nacht mit einem Intensivtransporthubschrauber in eine Druckkammer geflogen werden. Dort wird bei reiner Sauerstoffkonzentration und bei drei Bar Druck das Kohlenmonoxid schneller ausgeschieden, als unter normalem Umgebungsdruck. Denn das CO bindet sich am roten Blutfarbstoff, der für den Sauerstofftransport zuständig ist. In der Druckkammer wird auch mehr Sauerstoff im Blutplasma transportiert, die Menge reicht dann aus, um die Organe wieder mit dem lebenswichtigen Gas zu versorgen.

Heftige Folgeschäden

Der Einsatz in Treuchtlingen hätte schwerwiegende Nachwirkungen haben können. Unentdeckt kann an einem CO-Austritt eine ganze Familie versterben. Auch wenn eine Kohlenmonoxidvergiftung nicht tödlich verläuft, seien sehr häufig neurologische Schäden die Folge, so Kratzer: Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen, Verhaltensänderungen oder Parkinson.

Leider sei die Entstehung von Kohlenmonoxid in Gasthermen nicht selten, so der Notarzt: „Ich habe das in den letzten Jahren schon mehrmals erlebt – was durch eine sachgerechte und vor allem jährliche Wartung durch eine Fachfirma vermeidbar wäre.“

So sieht das auch der Verband der Feuerwehren in Nordrhein-Westphalen, der sich in Deutschland federführend mit dem Thema beschäftigt. Demnach ist eine Heizanlage sicher, wenn sie durch einen Fachmann installiert und regelmäßig gewartet wird. Auch bei Betriebsstörung sollten sich die Heizungsnutzer an eine Fachfirma wenden.

Und wenn doch das gefährliche Gas austritt? Ähnlich den Rauchwarnmeldern gibt es auch Geräte, die vor einer zu hohen Kohlenmonoxidkonzentration warnen, die batteriebetrieben sind und unter die Decke gehängt werden können. „Leider sind diese CO-Warnmelder im Gegensatz zum Rauchwarnmelder nicht verpflichtend vorgeschrieben und in der Bevölkerung relativ unbekannt“, bedauert Kratzer. Dabei gebe es diese Geräte vor allem in Tiefgaragen, häufig zusammen mit einer Sirene und Hinweisen, bei Alarm sofort die Garage zu verlassen. In kleineren Garagen begnügt man sich oft mit einem Hinweisschild „Vergiftungsgefahr bei laufenden Motoren“.

Denn der Mensch hat kein Sinnesorgan für das farb- und geruchlose Gas. Zum Selbstschutz der Einsatzkräfte wurden alle Rettungswagen in Bayern mit einem kleinen, tragbaren Warngerät ausgestattet, das meistens am Notfallrucksack befestigt wird und bei Betreten einer Wohnung schon vor einer geringen CO-Konzentration warnt.

„Für die Diagnose am Patienten brauchen wir ein spezielles Pulsoxymeter zur Messung der Sauerstoffkonzentration im Blut“, so Kratzer. Doch um eine CO-Belastung des Blutes zu erkennen, benötige man eine hochwertigere und teurere Variante (etwa 4700 Euro pro Gerät), die es im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen nicht gebe. Zur Versorgung der restlichen Familienmitglieder beim Treuchtlinger Vorfall vergangene Woche musste deshalb zeitaufwändig ein Messgerät aus dem Landkreis Donau-Ries gebracht werden, erzählt der Notarzt.

Messgerät für jedes Einsatzfahrzeug

Kratzer wünscht sich ganz dringend, dass ein solches Pulsoxymeter auch für den Landkreis besorgt wird und es dann beispielsweise ständig auf dem Dienstfahrzeug des Einsatzleiters Rettungsdienst mitgeführt wird. „Das wäre eine echte Verbesserung unserer Arbeit und ein großer Schritt für den Patienten“, sagt Kratzer: „In anderen Bundesländern hat jedes Notarzteinsatzfahrzeug ein derartiges Gerät an Bord.“

Zur Standardausrüstung der zentral beschafften Einsatzfahrzeuge gehört so ein Pulsoxymeter allerdings nicht. Die vereinzelt vorhandenen Geräte in Bayern seien in Eigeninitiative der Rettungsdienste beschafft worden, so Kratzer. Für die drei Notarztfahrzeuge im Landkreis würde das bei einer Sammelbestellung auf etwa 10.000 Euro herauslaufen, was für Kratzer die Ideallösung wäre. So könnte auch bei Patienten mit Rauchgasvergiftung eine Kohlenmonoxidvergiftung festgestellt werden.

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Neuer Branchenverband will sensibilisieren

Mit dem Ziel, die Öffentlichkeit über die Gefahren von Kohlenmonoxid (CO) aufzuklären, haben der Deutsche Feuerwehrverband, die Arbeitsgemeinschaft Notärzte in NRW, der Bundesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienste, der BHE Bundesverband Sicherheitstechnik und verschiedene Hersteller von Kohlenmonoxidmeldern Ende Dezember 2018 die „Initiative zur Prävention von Kohlenmonoxid-Vergiftungen“ gegründet. Der Verein möchte das Gefahrenbewusstsein stärken und die Bevölkerung für die gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von Kohlenmonoxid sensibilisieren.


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Laut der im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Übersicht „Diagnostik und Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung“ verzeichnen deutsche Kliniken jährlich im Durchschnitt 3900 Einweisungen aufgrund von Kohlenmonoxid-Vergiftungen, rund 550 davon verlaufen tödlich. Hinzu komme eine hohe Dunkelziffer, da viele Fälle nicht erkannt werden. Auslöser können technische Defekte, mangelnde Wartung oder verstopfte Abluftrohre von Gasthermen, Ölheizungen oder Kaminöfen sein. Kohlenmonoxid dringt zudem durch Wände und Fußböden und kann sich unabhängig von der Quelle im ganzen Haus verteilen.

„Das Risiko von CO-Vergiftungen in den eigenen vier Wänden lässt sich durch die Installation von CO-Warnmeldern deutlich reduzieren. Diese reagieren auf gesundheitsgefährdende CO-Konzentrationen in der Raumluft, und der schrille Alarmton warnt die Menschen vor dem gefährlichen Atemgift“, erklärt Norbert Schaaf vom BHE Bundesverband Sicherheitstechnik. Die Geräte sollten im Schlafzimmer oder im Flur davor angebracht werden, der Durchschnittspreis beträgt etwa 20 bis 40 Euro.

„Bei einem Verdacht auf Kohlenmonoxid, oder wenn der CO-Melder anschlägt, sollte man schnell das Haus verlassen. Außerdem, wenn möglich, Fenster und Türen öffnen und von draußen den Notruf 112 der Feuerwehr wählen“, erläutert Hartmut Ziebs, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes.

Unter dem Motto „CO macht K.O.“ startet die Initiative zur Prävention von Kohlenmonoxid-Vergiftungen ihre Aufklärungsarbeit vom 18. bis 24. Februar mit einer Aktionswoche. Gemeinsam mit Feuerwehren, Schornsteinfegern und Versicherern möchte der Verein den Verbrauchern Empfehlungen geben, wie man sich Zuhause vor einer Vergiftung schützen kann. Mehr Informationen gibt es unter www.co-macht-ko.de

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