AfD plant auch in Bayern einen "Lehrer-Pranger"

10.10.2018, 05:56 Uhr
Lehrer im Fokus: Die AfD glaubt, dass Pädagogen Schüler willentlich politisch beeinflussen.

© F.: Julian Stratenschulte/dpa Lehrer im Fokus: Die AfD glaubt, dass Pädagogen Schüler willentlich politisch beeinflussen.

Die Landesverbände der AfD wollen die Meldeplattformen in insgesamt neun Bundesländern einführen. In Brandenburg, Baden-Württemberg und Sachsen sollen sie in Kürze eingerichtet werden. Die AfD-Fraktionen in Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt wollen nachziehen, dort sind Meldeplattformen in Planung. Geht es nach der AfD, sollen Lehrer, Schüler und Eltern auf diesen Plattformen die Gelegenheit haben, sich online und anonym an die rechtspopulistische Partei zu wenden. Ziel der Aktion: Lehrer sollen angeprangert werden, die sich im Unterricht kritisch über die AfD geäußert haben.

Martin Sichert, AfD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der bayerischen AfD, erklärt dazu: "Es ist ziemlich sicher, dass wir diese Meldefunktion in Bayern einrichten, wir wollen aber zunächst abwarten, wie es in den anderen Bundesländern läuft." Die harsche Kritik an der Meldeplattform von Lehrer- und Elternverbänden, Schulämtern und Politikern anderer Parteien lässt Sichert kalt: "Wenn man sich als Lehrer an das Neutralitätsgebot hält, dann gibt es auch keinen Grund, Angst zu haben."

Der AfD-Abgeordnete sieht keine Gefahr darin, dass einzelne Schüler ihrer Antipathie gegenüber einem Lehrer auf diese Weise Luft machen oder Kinder instrumentalisiert werden könnten. Die gesammelten Aussagen der Nutzer seien "rein informativ". Es handle sich um Anhaltspunkte, die "keine Konsequenzen für irgendjemanden nach sich ziehen". Doch die Lehrer in den Schulen, glaubt Sichert, machten Wind gegen die AfD, und das könne man nicht stehen lassen.

Die Lehrer- und Elternverbände kritisieren den AfD-Vorstoß scharf: Michael Schwägerl, Vorsitzender der Bayerischen Philologen: "Unsere Lehrkräfte können sehr gut zwischen dem Vermitteln demokratischer Haltungen und politischer Meinungen unterscheiden. Wir lehnen anonyme Meldeportale kategorisch ab."

"Wie bei der Stasi"

Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft: "Es passt ins Bild, dass eine Partei, die Andersdenkende ausgrenzen will, Plattformen schafft, auf denen man Leute mit anderen Meinungen denunzieren kann." Lehrer sollen eingeschüchtert werden, das sei eine beängstigende Entwicklung. Henrike Paede, Vorsitzende des Bayerischen Elternverbands, betont: "So ein Blödsinn, das ist Bespitzelung wie wir sie von der Stasi kennen."

Auch Bernd Sibler (CSU), bayerischer Kultusminister und ehemaliger Lehrer, sagt: "Denunziantentum erteilen wir an unseren Schulen eine klare Absage. Wir vertrauen den Lehrkräften bei der politischen Bildung und stehen hinter ihrer Arbeit." Sollten Eltern oder Schüler einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht einer Lehrkraft sehen, sollten sie dies unmittelbar gegenüber der betreffenden Lehrkraft thematisieren und gegebenenfalls die Schulleitung informieren. Ein solches anonymes Portal führe zu einer Kultur des Misstrauens, fördere Denunziantentum und instrumentalisiere Kinder und Jugendliche.

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands und Direktor an einem Deggendorfer Gymnasium, sagt mit Blick auf die Entwicklung in Hamburg, wo Lehrkräfte das Portal mit Gags und Pizzabestellungen fluteten: "Das ist ein klassisches Eigentor. Da sehe ich keine Gefahr, dass der Zweck der Einschüchterung erreicht wird."

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