Augsburger Polizistenmord: Laienspieltheater im Prozess?

13.1.2014, 08:45 Uhr
Die Brüder Raimond M. (links) und Rudolf R. stehen unter Anklage wegen des Mordes an dem Polizisten Mathias Vieth.

© dpa Die Brüder Raimond M. (links) und Rudolf R. stehen unter Anklage wegen des Mordes an dem Polizisten Mathias Vieth.

Für die Justiz wurde die Aufarbeitung des kaltblütigen Mordes am Augsburger Polizisten Mathias Vieth zu einem Hindernislauf. Vieth war im Herbst 2011 von flüchtenden Verdächtigen erschossen worden. Seit fast einem Jahr verhandelt das Landgericht Augsburg, nun könnte es bald ein erstes Urteil geben.

Ein erstes deswegen, weil sich ursprünglich zwei Angeklagte wegen Mordes verantworten mussten – derzeit wird von der Strafkammer aber nur noch gegen einen der beiden Brüder verhandelt. Doch die Justiz will den Prozess gegen den zweiten Angeklagten von vorne beginnen, wenn das erste Verfahren abgeschlossen ist. In wenigen Wochen könnte dann ein zweiter Polizistenmordprozess starten.

Älterer Bruder verhandlungsunfähig

Zunächst zieht das Schwurgericht in der ersten Jahreshälfte 2013 den Mammutprozess routiniert und ohne große Verzögerungen durch. Gemeinsam angeklagt sind ein 58-Jähriger, der bereits 1975 bei einer Autobahnraststätte nahe Augsburg einen Polizisten erschossen hatte, und sein zwei Jahre älterer Bruder. Doch der 60-Jährige ist an Parkinson erkrankt und wird im Sommer verhandlungsunfähig – das Verfahren gegen ihn muss nach einer wochenlangen Hängepartie abgetrennt und ausgesetzt werden.

Die Einschätzung des Neurologen, der wegen der Krankheit sogar generell die Täterschaft des 60-Jährigen anzweifelt, hat zu heftigen Reaktionen geführt. Rechtsanwalt Walter Rubach, der die Witwe und die Schwester Vieths vertritt, wirft dem Sachverständigen vor, dem mutmaßlichen Polizistenmörder auf den Leim gegangen zu sein. „Es gibt genügend Hinweise, dass die Geschichte getürkt ist“, sagt Rubach über die Ausfallerscheinungen des Patienten. „Es ist absurd, was der Gutachter sagt.“

Augsburger Polizistenmord: Laienspieltheater im Prozess?

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Rubach glaubt, dass der 60-Jährige nur dem Mediziner gegenüber den Gebrechlichen spiele. Ansonsten mache der Angeklagte im Gefängnis munter seine Fitnessübungen. Und dass der Mann bei der Tat vor rund zwei Jahren nicht auf einem Motorrad flüchten konnte, wie der Gutachter vermutet, hält der Nebenkläger-Vertreter ebenso für ein Gerücht: Damals habe der ältere Bruder trotz Parkinson sogar noch „halb-profimäßig Tennis gespielt“. Rubachs Fazit über die Vorgänge rund um dem Prozess: „Das ist kein Laienspieltheater, das ist ein großes Schauspiel.“

Neuer Prozess gegen den Erkrankten ungewiss

Auch Vieths Ehefrau ist fassungslos: „Mein Mann hat dem Staat treu gedient. Warum ist dieser Staat, diese Justiz jetzt nicht in der Lage, die Mörder meines Mannes zu verurteilen?“, sagte die Witwe der „Augsburger Allgemeinen“.

Der Verteidiger des 60-Jährigen hält den Vorwurf, sein Mandant sei ein Simulant, für falsch. Der Sachverständige habe mehr als 100 Tests gemacht und dies ausgeschlossen, sagt Anwalt Werner Ruisinger. Die Fitnessübungen in der Justizvollzugsanwalt seien Teil der Therapie: „Das Gericht hat extra dafür gesorgt, dass er Hanteln bekommt.“ Ruisinger sagt, es sei noch völlig offen, ob es einen zweiten Prozess gegen den Parkinsonkranken geben kann. Möglicherweise bessere sich dessen
Zustand, weil er seit einigen Monaten nicht mehr in strenger Isolationshaft sei.

Darauf hofft auch die Justiz. Das Gericht hat schon vor einiger Zeit begonnen, von Ende Februar an bis Juli Termine für einen weiteren Prozess zu planen. Zuvor soll es das Urteil für den 58-Jährigen geben, die Beweisaufnahme ist weitgehend abgeschlossen. Bis in den Februar hinein sind noch Termine festgelegt, das Urteil könnte aber bereits Ende Januar fallen.

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