Energiewende: Aigner will Biogas, Seehofer erntet Kritik

9.2.2014, 19:10 Uhr
Die Energiewende bleibt weiter ein großes Thema, gerade in Bayern. Während Aigner verstärkt auf Biogas setzen will, steht Seehofer in der Kritik.

© Andreas Gebert/Archiv (dpa) Die Energiewende bleibt weiter ein großes Thema, gerade in Bayern. Während Aigner verstärkt auf Biogas setzen will, steht Seehofer in der Kritik.

"Es ist mein Ziel, dass bestehende Anlagen so umgerüstet werden, dass sie flexibel Strom liefern", sagte Aigner dem "Focus". Biogas-Anlagen könnten dann Engpässe schließen, wenn der Wind nicht wehe und die Sonne nicht scheine. Der "Bayernplan Biogas", der gerade erarbeitet werde, sehe dafür Investitionshilfen vor.

Aigner verteidigte den Kurs von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der unter anderem einen Planungsstopp beim Ausbau der Stromtrassen angeregt hatte. Seehofer habe nichts gegen Windräder oder Stromleitungen, sondern wolle im Dialog mit den Bürgern Lösungen finden, die auf Mensch und Natur Rücksicht nehmen.

Während Seehofer seine Forderung nach einem Planungsstopp weiter vertritt, wächst bundesweit und parteiübergreifend die Kritik. Am Wochenende schaltete sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein. Trassen zum Transport des Stroms in den Süden seien zwingend notwendig, sagte sie. "Es wird Gleichspannungsleitungen geben, darüber sind wir uns auch alle einig", sagte Merkel am Samstag zum Abschluss einer CDU-Klausur in Erfurt. Es gebe einen gemeinsamen Netzausbauplan.

Merkel machte deutlich, dass sie von Seehofers Plan, einen Planungsstopp beim Ausbau der Stromtrassen wenig hält. Ein Moratorium sei „sicherlich keine Antwort“. Es müsse aber eine „zeitnahe Überprüfung“ der Planung geben. Seehofer und die CSU hatten der Beschleunigung des Netzausbaus 2013 noch zugestimmt, doch nun regt sich in Bayern großer Widerstand gegen die Trassenführung. Am 16. März sind Kommunalwahlen im Freistaat.

Kritik an Seehofers Plänen aus der Wirtschaft

Seehofer attackierte zuvor via Internetportal "Bild.de" seine Kritiker: "Wir Bayern brauchen keine Belehrung von irgendjemand." Doch auch der bayerischen Wirtschaft kommt grundlegende Kritik an seinem Kurs in der Energiewende. Notwendig seien sowohl der Ausbau der erneuerbaren Energien als auch neue Stromtrassen, sagte Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern. Er kritisierte insbesondere das von der Staatsregierung angekündigte Moratorium für die Planung neuer Trassen. "Wir sind definitiv nicht zufrieden", sagte Driessen der Nachrichtenagentur dpa - und prophezeite einen "Rückgang der Industrialisierung" in Bayern. Auch Siemens-Chef Joe Kaeser sprach sich für einen raschen Bau der Stromtrasse aus und rief alle an der Debatte beteiligten Lager zur Rückkehr zur "volkswirtschaftlichen Vernunft" auf.

Aus Sicht von Fachleuten führt nichts an einem zügigen Ausbau der Stromtrassen vorbei. Andernfalls drohe Bayern nach der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke im Jahr 2022 ein massiver Stromengpass, sagte Matthias Luther, Professor für Elektrische Energiesysteme an der Universität Erlangen, der Nachrichtenagentur dpa. "Derzeit wird der bayerische Strombedarf noch zu 50 Prozent von Kernkraftwerken gedeckt. Dieser Anteil fällt bis 2022 schrittweise weg", gab Luther zu bedenken.

Seehofer aber bekräftigte auf "Bild.de" das Moratorium: Die großen Stromtrassen nach Bayern sollten noch einmal auf ihre Notwendigkeit und auf ihre Machbarkeit hin überprüft werden. Allerding hat die Staatsregierung keine rechtliche Handhabe, um die Planungen zu verhindern oder aufzuhalten. Gemehmigungsbehörde für länderübergreifende Trassen ist die Bundesnetzagentur.

Seehofer weist Kritik zurück

Seine Kritiker ging der CSU-Chef auch direkt an: "Das Geschwätz, das dazu eingesetzt hat von EU-Kommissar (Günther) Oettinger und anderen Ortsunkundigen, wird an dieser bayerischen Forderung nichts ändern." Auch Oettinger hatte einen schnellen Bau der Leitungen angemahnt.

Nach Oettinger griff auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Seehofer scharf an: "Ich glaube nicht, dass man als verantwortlicher Politiker sich so verhalten darf", sagte sie dem Radiosender SWR 2. Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Natascha Kohnen, fürchtet ebenfalls erheblichen Schaden für Bayerns Wirtschaft. "Eine zuverlässige Stromversorgung unserer Unternehmen ist ein wesentlicher Standortfaktor. Wenn die nicht gewährleistet ist, besteht die Gefahr, dass sie abwandern. Horst Seehofer wird zunehmend zum Standortrisiko", sagte sie.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagte: "Noch vor wenigen Monaten hat Seehofer persönlich diesen 'stümperhaften' (Zitat Seehofer) Stromtrassen zugestimmt, die er heute so scheinheilig ablehnt. Er hat damit den von den Trassen betroffenen Landkreisen und den Interessen Bayerns massiv geschadet."

Seehofers ehemaliger bayerischer Koalitionspartner, Ex-Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP), warf dem CSU-Chef Populismus vor. Mit seinem Kurs versündige er sich an der Zukunft des Landes, sagte Zeil dem „Münchner Merkur“ (Samstag). Es herrsche ein „aberwitziger Zickzack-Kurs, auf nichts mehr scheint Verlass zu sein“.

Aigners Termin bei Amprion

Ilse Aigner (CSU) forderte unterdessen vom Bund den Bau eines Gaskraftwerkes in Bayern und streitet deshalb mit der Bundesnetzagentur. Diese sei der Meinung, "wir sollen uns Strom über die Netze von woanders organisieren. Und dazu sollen die Netze ausgebaut werden", sagte Aigner in der "Passauer Neuen Presse" (Montagsausgabe). "Wir wollen ein Kraftwerk mit schnell hochfahrender Gasturbine im räumlichen Umfeld von Grafenrheinfeld – dann sind wir nicht auf Produzenten andernorts angewiesen, die Versorgungssicherheit in Bayern wird höher und die Netzstabilität lässt sich mit geringeren Eingriffen gewährleisten."

In dem Bericht kritisierte Aigner auch den Netzbetreiber Amprion, der für Planung und Bau der Stromtrasse Süd-Ost verantwortlich ist. Dieser betreibe "eine hundsmiserable Kommunikation“ und „Trassenplanung nach dem Motto: Friss oder stirb. Das geht nicht." Die Ministerin will dies bei einem Treffen mit der Amprion-Spitze in der kommenden Woche auch deutlich machen.

Derweil wird in der CSU nach Alternativen gesucht. Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich regte in der „Passauer Neuen Presse“ an, Erdkabel sollten „dort ermöglicht werden, wo Bevölkerung und Landschaftsbild besonders beeinträchtigt werden“. Er räumte jedoch ein, dass dies deutlich teurer wäre. Die CSU hatte gemeinsam mit der CDU im vergangenen Jahr in Berlin einen Vorrang für die unterirdische Kabelverlegung wegen der hohen Kosten noch abgelehnt.

Dieser Artikel wurde aktualisiert am 9. Februar um 19.10 Uhr.

Verwandte Themen


Keine Kommentare