Altstadt: Bürger fühlen sich von Politik im Stich gelassen

1.1.2011, 07:00 Uhr
Altstadt: Bürger fühlen sich von Politik im Stich gelassen

© K.-D. Schreiter

„Wir nehmen die Altstadt nicht unbedingt als Brennpunkt wahr“, sagt Martin Busch, Abteilungsleiter im Ordnungsamt. Natürlich seien durch den Besucherstrom vor allem um den Martin-Luther-Platz die Anwohner Belastungen ausgesetzt. Doch seit der Verlängerung der kommunalen Sperrzeit seien die Klagen deutlich zurückgegangen. Auch das Rauchverbot habe nicht zu „signifikant mehr Beschwerden beigetragen.“

Kneipen- und Diskothekenbetreiber Udo Helbig kann die Klagen von Anwohnern zwar „teilweise nachvollziehen“, weil in der Stadt viel Bewegung sei: „Für den Lärm ist ja nicht allein die Gastronomie verantwortlich“. Von einem „Glasscherbenviertel“ könne aber keine Rede sein: „In der Altstadt muss niemand Angst haben. Außerdem ist es überschaubar geworden, früher war hier mehr los.“ Den Effekt der Sperrzeit sieht er kritisch: „Bei schönem Wetter stehen die Leute jetzt nachts draußen und unterhalten sich, weil die Kneipen dicht sind.“

Nächtlicher Lärm

Trotz Sperrzeitverlängerung findet Karlheinz Pape von der Anwohnerinitiative Nördliche Hauptstraße die Situation für die Anwohner nicht zufriedenstellend: „Unter den Anwohnern herrscht böse Resignation, weil sie glauben, dass die Politik nichts von ihren Problemen wissen will.“ Vor allem der nächtliche Lärm durch Betrunkene nerve die Anwohner, die Stadt müsse hier ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und die Einhaltung der Grenzwerte kontrollieren. Für den Stadtteil fehle eine Vorstellung davon, wie er sich in den nächsten Jahren entwickeln solle. 2010 hatte Pape eine Leitbild-Diskussion angestoßen, doch die Idee einer Bürgerwerkstatt, die gemeinsam mit der Politik ein Entwicklungskonzept für die historische Innenstadt entwerfen sollte, verlief im Sand, als der Stadtrat die beantragten Mittel von 10000 Euro nicht bewilligte.

„Das wird jetzt eher in Teilaspekten aufgegriffen, als großes Ganzes gibt es das nicht mehr“, meint dazu Pia Tempel-Meinetsberger, Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins. Neben den schon etablierten Diskussionsplattformen Altstadtforum und Altstadtempfang sollen 2012 deshalb auch in einer Dialogreihe im Stadtmuseum Probleme in der Innenstadt angesprochen werden.

Probleme des Einzelhandels

Mit dem Einzelhandelskonzept der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA), das im April dem Stadtrat zur Umsetzung vorgelegt wurde, existiert auch eine Art Handlungsleitfaden. Und der sieht gerade im Mix aus Einzelhandel, Gastronomie und Hotels das Charakteristikum der Altstadt. Dass angesichts von Problemen des Einzelhandels die Gastronomie stärker an Gewicht gewinnen könnte, glaubt Josef Weber, Referent für Stadtplanung und Bauwesen, nicht: „Der Nutzungsmix läuft gut. Wir würden versuchen einzugreifen, wenn wir sehen, dass es zu sehr in eine Richtung geht, aber unsere Möglichkeiten sind beschränkt.“ Probleme sieht die Studie in der Häufung von Leerständen in der nördlichen Altstadt. Auch „Trading Down“-Tendenzen, bei denen Leerstände im Vergleich zum vorherigen Bestand nicht gleichwertig aufgefüllt werden, bemängelt die GMA. „Strukturelle Probleme haben wir in der Goethestraße und an der Altstadtmarkt-Passage“, bestätigt Konrad Beugel, Referent für Wirtschaft und Finanzen. „Wir sehen natürlich auch, dass immer wenn ein kleiner Laden schließt, die Eigentümer schnell Imbissläden zulassen“, sagt er. Gerade wenn die Eigentümer der Immobilien von auswärts seien, sei es aber oft schwierig, die Problematik zu vermitteln. Dem Trading-Down-Effekt versuche das Leerstandsmanagement der Stadt entgegenzuwirken, indem es zwischen Eigentümern und potenziellen Mietern zu vermitteln suche. „Wir unterscheiden dabei aber nicht zwischen Läden und Gastronomie, alles was Leben bringt und nicht stört ist uns recht“, so Planungsreferent Weber, der aber einschränkt: „Alles wollen wir natürlich nicht ansiedeln, zum Beispiel keine Vergnügungsstätten.“

Der Einzelhandel in der Altstadt habe es schwer, sagt Wirtschaftsreferent Beugel, für Betriebe mit Magnetfunktion fehle es an Fläche und geeigneten Objekten, auch an die Umsetzung der Idee einer Markthalle im Altstadtmarkt glaube er nicht. Doch als Nische für kleinteilige Fachgeschäfte und Handwerksbetriebe habe die Altstadt auch für den Einzelhandel eine Zukunft. Und auch das studentische Flair des Viertels hält Beugel für ein Potenzial: „Warum sollte sich in einer Altstadt nicht auch eine studentische Kneipen- und Gastronomieszene etablieren? Damit meine ich keine Diskotheken, die sähe ich auch lieber im Gewerbegebiet. Aber eine kleine studentische Kneipe ist, wenn sie ordentlich gemacht wird, doch etwas Schönes.“

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