Erlangen: Berg nicht "ballermannisieren"

31.5.2015, 14:00 Uhr
Erlangen: Berg nicht

© Harald Sippel

In den letzten Jahren hat – gerade in den Abendstunden – die Jugend den Berg erobert, mit eher oberbayerisch angehauchten Lederhosen und Dirndln. Familien und Senioren dagegen meiden zunehmend Keller und Fahrgeschäfte. Sie fühlen sich nicht mehr wohl im Gedränge, flüchten vor der überschäumenden Party-Atmosphäre und der sich manchmal gefährlich entwickelnden Alkoholseligkeit, verursacht durch das vielfach zu beobachtende Mitbringen von teils hochprozentiger Ware (siehe auch Bericht unten links). Das soll künftig anders werden.

Den Kreis der Kritiker führt Lorenz Kalb an, Vorsitzender des Süddeutschen Schausteller-Verbandes seit 2007 und trotz seiner 59 Jahre bereits seit 60 Jahren auf dem Berg.

Des Rätsels Lösung: Er war schon im Mutterleib dabei, zählt doch seine Familie zu jenen, die seit hundert und mehr Jahren die Erlanger Bergkirchweih mit ihren Fahrgeschäften bestücken. „Wir haben kein Interesse am Ballermann, das ist das Schlimmste, was uns passieren kann“, verweist er auf die Meinung der meisten seiner etwa 70 Kollegen, die mit ihren Fahrgeschäften in Erlangen vertreten sind. Er will den Berg wieder – wie vor zehn, 20, 30 Jahren – für Familien und die Generation Ü50 und Ü60 tauglich machen.

Einen Verbündeten findet er dabei in Christian Frank (38), Marketing-Betriebswirt und seit 2008 Geschäftsführer der ETM (Erlanger Tourísmus und Marketing Verein). Er will mit seinem achtköpfigen Team, in Absprache mit dem zuständigen Ordnungsamt, die Werbung auf die genannte Zielgruppe, zusätzlich ausgedehnt auf internationale Gäste, ausrichten. Eine Idee von mehreren: einen „Familien-Paß“ zu entwickeln, der Vorteile beim ÖPNV oder Parken und bei den Betreibern der Bergkirchweih beinhalten soll. Treffpunkte zum Kindergeburtstag und eine Familien-Rallye sind weitere Visionen. Und für die Senioren könne allein ein Nachmittag im Zelt mit entsprechender Musik nicht ausreichen: „Da muss mehr kommen!“ Überörtliche Plakatierungen haben bereits erste Erfolge gezeitigt, zumal der Airport Nürnberg als Partner gewonnen werden konnte. Darüber hinaus gilt es, erste Grundlagen zu schaffen – so die Angleichung der Werbemaßnahmen in den sozialen Medien.

Dass die Bergkirchweih als Familienfest gestärkt werden soll, ist auch Oberbürgermeister Florian Janik wichtig, der erstmals den Frühschoppen der Schausteller besuchte – seit Jahrzehnten von der Familie Kalb zum Austausch über Stärken und Schwächen des Festes veranstaltet. So fanden sich neben Janik ebenso CSU-Innenminister Joachim Herrmann und der Nürnberger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert beim Resümee der Schausteller in Dinkels Frankendorf ein. Sowohl Janik als auch Kalb sahen, den „Ballermann“ einmal ausgenommen, beim diesjährigen Berg unisono keine größeren Probleme.

Gibt es diese, so haben sie – so Kalb – eher überörtliche Gründe. So beklagen sich viele Schausteller, die größere Fahrgeschäfte betreiben, vehement darüber, dass allein in Deutschland eine sonst allgemein in der EU gültige Praxis nicht übernommen worden ist: die neuen DIN-Normen für die Sicherheit der Fahrgeschäfte nur bei den Neubauten anzuwenden, bei den bestehenden dagegen die alten Normen weiterhin zu berücksichtigen.

In Deutschland dagegen gelten die neuen Normen jetzt für alle Fahrgeschäfte – „obwohl wir bisher“, so Kalb, „den weltweit höchsten Sicherheitsstandard mit dem härtesten Prüfungszyklus haben“. Die notwendigen TÜV-Prüfungen verschlingen zig Tausende von Euro – zuviel für alteingesessene Familienbetriebe, die sich in ihrer Existenz bedroht sehen. Kalb erblickt allerdings ein erstes Licht am Horizont: Zwei Gerichte haben nach entsprechenden Klagen die neuen Richtlinien als unverhältnismäßig bezeichnet.

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