Der Profit mit Flüchtlingen ruft Neid hervor

6.3.2015, 20:04 Uhr
Der Profit mit Flüchtlingen ruft Neid hervor

© Archivfoto: Berny Meyer

Derzeit, Stand gestern, leben im Landkreis Forchheim rund 600 Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und hier Zuflucht suchen. Ein großer Teil flüchtete vor Krieg und Bürgerkrieg, andere werden von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit in die Fremde getrieben. Ob diese Menschen im Einzelfall ein Recht auf Asyl in Deutschland haben oder nicht, wird nicht in Forchheim entschieden, sondern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg.

Das Landratsamt ist aber zuständig für die Unterbringung der Schutzsuchenden. Eine genaue Planung auf der Grundlage verlässlicher Zahlen ist so gut wie unmöglich, schildert der zuständige Abteilungsleiter Frithjof Dier. Sein Amt ist das letzte Glied in einer längeren Verwaltungskette. Oft erfährt er erst heute, wie viele Menschen morgen oder übermorgen unterzubringen sind. Dann ist — guter Wohnraum teuer?

Es kommt darauf an. 21 Unterkünfte existieren derzeit im Landkreis. Es handelt sich teils um Wohnungen, teils um ehemalige Wohnhäuser, teils um frühere oder noch genutzte Pensionen und Hotels. Auch eigens hergerichtete Sammelunterkünfte sind dabei. Jedenfalls, sagt Dier, „musste ich noch nie selber auf die Suche gehen“, denn die Wohnräume werden dem Kreis-Sozialamt angeboten.

An Not verdienen

Hier kommt das Thema Sozialneid ins Spiel, vielfach geäußert in Telefonanrufen, Mails und Briefen gegenüber dem Amt, der Presse, den Vermietern. Denn die Vermieter von Flüchtlingsunterkünften handeln nicht (nur) aus sozialer Motivation heraus, sondern weil sie damit Geld verdienen können. Unter Umständen viel Geld. Es ist ein Markt entstanden und die Anbieter von Immobilien für Asylbewerber versuchen, diesen zu nutzen. Das ist vom Gesetzgeber so gewollt.

Je nach Art des Vertrages (siehe gelben Kasten) haben die Hausbesitzer mehr oder weniger Kosten selbst zu tragen, erhalten sie mehr oder weniger Geld. Das Landratsamt stellt Anforderungen hinsichtlich Wohnraum pro Person (sieben Quadratmeter) sowie der Haustechnik und Sanitärräume. Dier: „Uns wurden schon baufällige Bruchbuden angeboten.“ Die fallen unter den Tisch.

Frithjof Dier ist mit Nachbarlandkreisen im Gespräch, um die Kosten für die Unterkünfte auf einem vergleichbaren Niveau zu halten. Die Landkreise wollen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Bei Beherbergungsverträgen, wo nach Köpfen und pro Tag abgerechnet wird, „haben wir noch nicht über 30 Euro gezahlt.“

Alle Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen werden dem Landkreis vom Freistaat Bayern ersetzt. Nicht ersetzt werden zusätzlich anfallende Personalkosten. Das Sozialamt wurde inzwischen um eine Stelle aufgestockt, um die Arbeit rund um die Flüchtlinge bewältigen zu können.

Die Asylsozialarbeit, also die menschliche Seite der Flüchtlingsbetreuung, wird im Auftrag des Landkreises von der Caritas übernommen. Der Staat zahlt hier 80 Prozent Personalkostenzuschuss, der Landkreis gibt im Jahr derzeit 22 000 Euro aus eigenen Mitteln dazu.

Das Personal für die Asylsozialarbeit, sagt Frithjof Dier, reicht hinten und vorne nicht aus: „Umso wichtiger sind die ehrenamtlichen Helfer, die es in nahezu jedem Ort gibt, in dem Flüchtlinge untergebracht sind.“ Sie machen das Amt zum Beispiel auch darauf aufmerksam, wenn in der Unterkunft Mängel auftreten: „Wir kontrollieren auch immer wieder einmal selbst“, so Dier.

Aber ohne die Ehrenamtlichen würde es sicher nicht so schnell auffallen, wenn beispielsweise die Waschmaschine für mehrere Tage nicht funktioniert. Die „Stimmungslage“ in der Bevölkerung, so Dier, sei insgesamt „äußerst positiv“. Natürlich wird gerade auch das Landratsamt mit ausländerfeindlichen oder sozialneidigen Äußerungen konfrontiert, nicht nur anonym, sondern auch offen. Das Amt wird dafür verantwortlich gemacht, dass die Vermieter von Flüchtlingsunterkünften viel Geld verdienen können. Die meisten derjenigen, die sich so äußern, so ist aus dem Amt zu hören, sind nicht bereit, sich auf eine differenzierte Diskussion einzulassen.

Frithjof Dier arbeitet schon über 20 Jahre in Forchheim. In den 1990er Jahren, erinnert er sich, „hatten wir schon mehr Asylbewerber“. Die Situation heute sei besser zu bewältigen.

Das Landratsamt Forchheim hat im Landkreis 19 dezentrale Unterkünfte für Flüchtlinge in acht verschiedenen Orten angemietet, die meisten davon in Forchheim (neun). In sechs von 19 Unterkünften wurde ein Mietvertrag auf Grundlage von Quadratmeterpreisen abgeschlossen, „zu ortsüblichen Konditionen“, wie Abteilungsleiter Frithjof Dier sagt.

In 13 Fällen existiert ein „Beherbergungsvertrag“. Das heißt, die Unterkünfte werden wie Pensionen behandelt. Die Vermieter erhalten ihr Geld pro untergebrachter Person pro Tag, derzeit sind das dem Vernehmen nach zwischen 20 und 30 Euro. Frithjof Dier bestätigt diese Zahlen aber nicht.

Bei einem Beherbergungsvertrag stellt der Vermieter das komplette Mobiliar und die Ausstattung (Betten, Bettwäsche, Küche, Waschmaschine etc.). Außerdem obliegen ihm der Hausmeisterdienst, die Nebenkosten und soziale Dienste wie Behördengänge, Arztsuche, Arbeitsmöglichkeiten.

Das frühere ASB-Heim an der Unteren Kellerstraße in Forchheim ist vom Landratsamt als „Notunterkunft“ im Rahmen des Winternotfallplans der Regierung von Oberfranken mit einem Beherbergungsvertrag angemietet worden. Seit Mitte Februar leben hier 59 Flüchtlinge, angekündigt waren zunächst 200. Am Donnerstag stießen 48 dazu, die aus Coburg kommen. Dort wird danach eine bisher mit Flüchtlingen belegte Turnhalle wieder frei.

Um eben nicht selbst eine Turnhalle belegen zu müssen, griff das Landratsamt auf das Haus an der Bahnlinie zurück. Es gehört der Deutschen Bahn (DB), die es einst vom Arbeitersamariter-Bund (ASB) erwarb, als es in den 1990er Jahren hieß, das damals neu gebaute Wohnheim muss dem kurz bevorstehenden ICE-Streckenausbau weichen.

Die DB hat das Haus an den Forchheimer Geschäftsmann Stefan Schick vermietet, der es jetzt, nach einigen Investitionen in die Ausstattung, als Notfallunterkunft weitervermietet. In einer Notfallunterkunft gelten nicht dieselben Regeln wie in den anderen Unterkünften. Zum Beispiel fällt die Vorschrift weg, dass pro Person sieben Quadratmeter Wohnraum vorhanden sein müssen. Denn: In einer Turnhalle mit der Belegung Feldbett an Feldbett gäbe es diese Fläche auch nicht.

Schließlich gibt es in Forchheim noch die Staatliche Gemeinschaftsunterkunft in der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße, die in Regie der Regierung von Oberfranken belegt und betrieben wird.

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