Forchheim: Gleichstellung ist immer noch ein Balanceakt

8.3.2018, 06:00 Uhr
Forchheim: Gleichstellung ist immer noch ein Balanceakt

© iStock.com/Christian Chan

Frauenrechtlerin Clara Zetkin hätte wohl gut in die Runde gepasst, die sich anlässlich des Internationalen Frauentages getroffen hat. Dieser jährlich am 8. März stattfindende Welttag soll an die Rechte erinnern, die sich Frauen bisher erkämpft haben — unter anderem an das 1918 in Deutschland durchgesetzte Frauenwahlrecht. Gerade angesichts dieser historisch bedeutsamen Errungenschaft reflektierten acht Frauen unterschiedlicher Organisationen darüber, was sich bis heute (nicht) getan hat.

Forchheim: Gleichstellung ist immer noch ein Balanceakt

© Kirsten Wirsching

„Aus einer Sklavin des Mannes ward die Frau die des Arbeitgebers“, konstatierte Clara Zetkin bereits 1889 in ihrer Rede „Für die Befreiung der Frau“. Es entsteht fast der Eindruck, als wäre diese Feststellung der Politikerin und Frauenrechtlerin auch heute noch aktuell. „Einfach gesagt: Im Vergleich zu Männern arbeiten Frauen ein Drittel des Jahres unbezahlt“, so Lisa Badum, Bundestagsabgeordnete der Grünen.
Damit bezieht sie sich auf die von Galster vorgelegten Zahlen: Frauen verdienten durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer bei gleichem Arbeitsumfang und gleicher Tätigkeit. Daraus werden auch in Forchheim Konsequenzen gezogen. Das Pfalzmuseum etwa bietet am Internationalen Frauentag eine Sonderführung an — der Eintritt für Frauen beträgt 5 Euro, während Männer 7,83 Euro zahlen müssen. Ein Versuch, die Ungerechtigkeit des „Gender Pay Gap“ — also ungleicher Löhne — wieder auszugleichen.

Auch die allgemeine Unterrepräsentation von Frauen in höheren Ämtern lässt sich laut Galster grundsätzlich erkennen. Nur etwa 36 % aller Parlamentsmitglieder in Deutschland sind weiblich, so die Gleichstellungsbeauftragte.

Außerdem ließe sich auch in Forchheim ein eindeutiger Zustand erkennen. Obwohl im Landkreis 2016 mehr Frauen als Männer gelebt haben, seien im Kreistag nur elf Kreisrätinnen gegenüber 49 Kreisräten vertreten. Auch die Zahl der Bürgermeisterinnen ist mit sechs deutlich niedriger als die ihrer 23 männlichen Kollegen.

Immer noch ungleiche Löhne

Gerade das Thema „ungleiche Löhne“ erhitzt die Gemüter der Frauenrechtsvertreterinnen. DGB-Vorsitzende Christa Gerdes betont: „Frauen fühlen sich vorwiegend zu sozialen Arbeiten wie etwa Kinderbetreuung oder Altenpflege berufen.“ Mit ihren Mitstreiterinnen ist sie sich einig: „Gerade weil das gesellschaftlich unschätzbaren Wert hat, muss endlich etwas an der ungleichen Bezahlung geändert werden.“ Denn besonders technische Berufe, die überwiegend von Männern ausgeübt würden, sollten nicht mehr Wert sein. „Solange ein Handwerker immer noch einen Stundenlohn von ungefähr 50 Euro verdient, während die Pflegerin nur 15 Euro bekommt, stimmt‘s noch nicht.“

Laut Badum passiert auch in der Geburtshilfe „nichts“. Dass natürliche Geburten immer weniger und durch geplante Kaiserschnitte ersetzt würden, sei eine der Folgen ungerechten Bezahlung. „Gerade wenn unterbezahlte Hebammen aufgeben und die nächste Geburtenstation 40 Kilometer weit weg ist, gibt es nur noch Kaiserschnitte und keine natürlichen Geburten mehr. Wenn Männer gebären würden, wäre das hier eine ganz andere Diskussion.“

Auch in Forchheim hinterlässt die sinkende Zahl an Berufstätigen in sozialen Bereichen ihre Spuren. Hebammenpraxen zum Beispiel haben es laut Lisa Hoffmann, Kreisvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo), nicht leicht: „Wir müssen uns konkret um so etwas kümmern.“
Bei all der Unterstützung für Frauen bleibt allerdings die Frage: Wie steht es beim Thema Gleichberechtigung eigentlich um die Männer? Um nicht auf der anderen Seite vom Pferd zu fallen, wird laut der ehemaligen SPD-Politikerin Wilmya Zimmermann schon in der Schule auf Gleichberechtigung geachtet. So gibt es beispielsweise am 26. April einen „Girls and Boys Day“, der Jungen und Mädchen Erfahrungen in jeweils „untypischen“ Berufen verschaffen soll.

Auch das Landratsamt Forchheim nimmt an der Aktion teil und kümmert sich heuer darum, dass zwei Mädchen einmal Schreinerei-Luft schnuppern können. Außerdem sollen Jungs währenddessen soziale Tätigkeiten ausprobieren dürfen.

Nochmal 100 Jahre?

Auf Nachfrage betont Gerdes außerdem ausdrücklich, dass bei Veranstaltungen zum Thema Frauenrechte auch Männer eingeladen sind: „Aber die sind davon schnell abgeschreckt.“

Seit Zetkins Zeiten ist viel passiert, Jobcenter bieten Programme für alleinerziehende Mütter an, so Badum, und auch moderne Familienmodelle sind auf dem Vormarsch. Allem voran geht natürlich das 100-jährige Frauenwahlrecht. Doch Zimmermann resümiert: „Wir haben immer noch nicht genug erreicht. Hoffentlich dauert es nicht nochmal 100 Jahre.“

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