600 Fürther sagen: Je suis Charlie

11.1.2015, 19:00 Uhr
600 Fürther sagen: Je suis Charlie

© Fotos: Winckler

Bei der Organisatorin flossen ein paar Tränen. „Ich hätte nicht gedacht, dass so viele kommen“, sagte Pauline Mazenod mit Blick auf die Menschen, die von allen Seiten herbeiströmten. „Ich bin gerührt.“

Die 40-jährige Französin, die seit drei Jahren in Deutschland lebt, hatte bis dato noch nie eine Demonstration auf die Beine gestellt. Den grausamen Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo wollte sie aber nicht stumm und tatenlos hinnehmen. Am Freitag ging ihre Anmeldung raus, die Zustimmung der Stadtverwaltung erhielt sie wenige Stunden später. Viel Zeit, um zu werben, blieb nicht, aber die FN, denen Mazenod bereits in der Freitagsausgabe geschildert hatte, wie sehr das Attentat sie selbst, aber auch ganz Frankreich bewegt, kündigten ebenso wie Radiosender die Demonstration an.

Dass sich so kurzfristig so viele Menschen versammelten, nötigte auch Oberbürgermeister Thomas Jung Respekt ab. Er versprach, Bilder und Berichte von der Demonstration an seinen französischen Amtskollegen in Fürths Partnerstadt Limoges zu schicken. Allgegenwärtig in der Adenaueranlage war der Schriftzug „Je suis Charlie“, eine Frau hatte ihn sich sogar auf die Wange geschrieben.

Andere hielten französische Fähnchen in die Höhe sowie Karikaturen, die in Charlie Hebdo erschienen waren. Auf einem mitgebrachten Tisch wurden Unterschriften gesammelt unter dem Titel „Das freie Bild, das freie Wort, das schützen wir – hier wie auch dort“.

Zu den Demonstranten zählten Mitglieder des Islamischen Kulturzentrums ditib, aber auch Fürther Künstler wie die Illustratorin Susanne Habermann. Der Anschlag habe sie schockiert, auch weil plötzlich etwas sehr nahe gerückt sei, das bislang sehr weit weg erschien. „Ich hoffe nur, dass die Menschen nicht aufhören zu unterscheiden“, sagte sie – zwischen den religiösen Fanatikern auf der einen und der Masse der friedliebenden Muslime auf der anderen Seite.

Eigentlich hatte Mazenod keine Redebeiträge für ihre „Mahnwache“ geplant, doch angesichts der Menschenmasse wandten sich der frühere französische Honorarkonsul Michel Gosselin und Mazenod selbst schließlich doch an die Demonstranten. Gosselin erinnerte nicht nur an die Mitarbeiter des Magazins, die ums Leben gekommen waren, sondern auch an die Opfer in dem jüdischen Supermarkt sowie die getöteten Polizisten.

„95 Prozent von Ihnen hatten vor dem Anschlag vermutlich nie etwas von Charlie Hebdo gehört“, sagte Gosselin, „aber Sie sind trotzdem gekommen. Das ist gut, es geht um unsere Freiheit.“ Er bekam ebenso lauten und lang anhaltenden Applaus wie Organisatorin Pauline Mazenod für ihr knappes „Merci“, das von Herzen zu kommen schien. „Das heute hier ist auch ein Zeichen für die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland“, rief sie. Dass es weder Mikrofon noch Verstärkeranlage gab, nahm den Rednern niemand übel.

Im Lim-Haus in der Gustavstraße kommen am Montag um 15.30 Uhr Mazenod und Jung, aber auch Dekan Jörg Sichelstiel und Vertreter von ditib zusammen, um öffentlich über die Anschläge und ihre möglichen Folgen zu sprechen. In Puschendorf im Landkreis Fürth reagierte das dortige Kulturforum mit einem Flugblatt, das im gesamten Ort verteilt wurde; in einer E-Mail an die FN-Redaktion heißt es: „Es ist uns wichtig, Stellung zu beziehen. Eine Position einzunehmen für Freiheit, Respekt, Toleranz und ein friedliches Miteinander in einer offenen Gesellschaft.“

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