Gewaltabwehr: Im Notfall ist fast jedes Mittel recht

16.5.2017, 16:00 Uhr
Gewaltabwehr: Im Notfall ist fast jedes Mittel recht

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Frau Reh, wer die Bilder noch vor Augen hat, wie eine junge Frau in einem Berliner U-Bahnhof einen Tritt in den Rücken bekommt und eine Treppe hinabstürzt, der ahnt, dass Gewalt jeden treffen kann. Was raten Sie insbesondere Jugendlichen, damit sie möglichst nicht in eine solche Situation geraten?

Julia Reh: Manches, wie dieser Tritt in den Rücken, lässt sich kaum erahnen und daher kaum vermeiden. Grundsätzlich gilt aber, dass sich ein Täter immer ein leichtes Opfer sucht. Deshalb brauchen wir ein Auftreten, das signalisiert: Hey, nicht mit mir!

 

Und wenn das nicht hilft?

Reh: Wenn es irgendwie geht, ist zu flüchten immer das Beste, was man tun kann. Das Dümmste wäre, sich unnötig in Gefahr zu bringen. Egal, ob man trainiert ist oder nicht.

 

Gut, spitzen wir es zu. Eine Flucht ist nicht mehr möglich.

Reh: Dann geht es darum, diese Situation so schnell und unbeschadet wie möglich zu verlassen, in dem ich mich mit meinen Mitteln wehre.

 

Als Trainerin bei "learn2fight" bringen Sie Kindern und Jugendlichen Krav Maga bei. Wie unterscheidet sich das vom klassischen Kampfsport?

Reh: Krav Maga ist kein Kampfsport, sondern Selbstverteidigung. Bei Kindern läuft das sehr spielerisch ab. Sie sollen ihr Selbstvertrauen stärken und Spaß beim Training haben. Sie lernen auch weiche Lösungen. Zum Beispiel, jemanden mit einem lauten "Stopp" zu bremsen. Je älter die Teilnehmer sind, desto intensiver wird die Selbstverteidigung. Bei Krav Maga gibt es keine Regeln, wir spielen unfair. Wenn es nicht anders geht, fügst du einem Angreifer größtmöglichen Schaden zu. Zum Beispiel mit einem Tritt in die Weichteile.

Wie kamen Sie zu diesem Sport?

Reh: Es gab bei mir immer wieder mal Momente, in denen ich mich unwohl gefühlt habe, in denen ich nicht wusste, wie verhalte ich mich, wenn es jetzt gleich vielleicht zum Äußersten kommen sollte. Diese Unbeholfenheit wollte ich ablegen. Krav Maga habe ich gewählt, weil es sehr realitätsnah ist.

 

Würden Sie jedem Jugendlichen empfehlen, Selbstverteidigung oder einen Kampfsport zu erlernen?

Reh: Ein gewisses Basiswissen schadet nie. Wer allerdings glaubt, nach einem Wochenendkurs jede Situation beherrschen zu können, der täuscht sich. Nach einem Besuch im Fitness-Studio habe ich auch noch keinen Sixpack. Einen Sinn hat dieses Training gerade für Menschen, die eher in ein Opferschema fallen, also ruhige und zierliche Menschen.

 

Leben wir in einer Welt, in der man das denn wirklich braucht?

Reh: Es wäre der völlig falsche Ansatz, sich ständig bedroht zu fühlen oder hinter jeder Hecke einen Angreifer zu vermuten. Gefährliche Situationen gab es schon immer, und das ist heute eben auch nicht anders. Viele Menschen geraten nie in so etwas hinein, andere schon. Man sollte einfach aufmerksam sein und ein Auge dafür haben, wie sich eine Situation entwickeln könnte. Schon allein damit kann man einigen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen.

"Gewaltprävention: Straße, Schule, Familie" lautet der Titel der Podiumsdiskussion am Mittwoch, 17. Mai, um  18.30 Uhr. Fachleute wie Psychologen, Polizisten oder Lehrer reden in der Aula des Helene-Lange-Gymnasiums, Tannenstraße 19, darüber, welche Auswege es aus der Gewaltspirale geben kann. Der Eintritt ist frei.

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