Polizei und Fürther Frauenhaus wollen schneller reagieren

23.10.2015, 16:00 Uhr
Eine nachgestellte Szene zum Thema Gewalt gegen Frauen.

© colourbox.com Eine nachgestellte Szene zum Thema Gewalt gegen Frauen.

Was das Thema häusliche Gewalt angeht, hat Annegret Steiger schon viele Schicksale erlebt, doch immer wieder kommen der Beauftragten für Frauen und Kinder im Polizeipräsidium Mittelfranken neue erschütternde Geschichten zu Ohren. Erst kürzlich etwa erzählte ihr eine Frau, dass sie seit 30 Jahren der Brutalität ihres Mannes ausgesetzt ist. Eine Broschüre mit Hilfsangeboten hat sie deshalb beim Telefon deponiert. Sie liegt dort seit zehn Jahren; angerufen hat die Frau nie.

Damit solche Fälle in Zukunft seltener werden, gibt es seit September eine Kooperation zwischen dem Fürther Frauenhaus, dem Polizeipräsidium, der Fürther Polizei und dem Multikulturellen Frauentreff in der Innenstadt. Gemeinsam und mit Fördermitteln des bayerischen Sozialministeriums haben sie eine Interventionsstelle mit pro-aktivem Beratungsansatz auf die Beine gestellt.

Das heißt: Wird künftig die Polizei zu einem Fall häuslicher Gewalt gerufen, dann gehen die Beamten direkt auf das Opfer zu und fragen, ob sie dessen Daten per Fax an die entsprechende Stelle des Frauenhauses weitergeben dürfen. Innerhalb von drei Tagen versuchen die Beraterinnen dann, die Frau telefonisch zu erreichen, um mit ihr nicht nur über das Erlebte zu sprechen, sondern auch darüber, was nun zu tun ist. Drei telefonische oder persönliche Beratungen können die Opfer in Anspruch nehmen. Wer ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht führen will, kann dies, da die Adresse des Fürther Frauenhauses geheim ist, im Multikulturellen Frauentreff in der Moststraße tun.

Seit Anfang September läuft das Projekt, die Akzeptanz ist bereits jetzt messbar: 17 Faxe sind bei der Interventionsstelle eingegangen; die meisten Betroffenen wünschten sich einen persönlichen Austausch mit den Beraterinnen.

Erste Erfolge

Julia Liebl, leitende Sozialpädagogin am Fürther Frauenhaus, sieht schon den ersten Erfolg: „Wir erreichen viele Frauen, die von sich aus wahrscheinlich nicht aktiv werden würden.“ Fünf Wochenstunden ist sie jetzt für die neue Beratung im Einsatz, Unterstützung bekommt sie von Annegret Steiger und von Heike Krämer, der zweiten Beauftragten für Frauen und Kinder des Präsidiums.

Das Modellprojekt des Ministeriums läuft derzeit in Zusammenarbeit mit den Frauenhäusern in Nürnberg, Erlangen, Schwabach und Ansbach. Künftig sollen die Interventionsstellen flächendeckend im Freistaat eingerichtet werden; momentan allerdings sind sie erst einmal bis Ende 2016 befristet.

Dass Bedarf sicherlich auch darüber hinaus besteht, daran lassen die Zahlen keinen Zweifel. Rund jede dritte Frau weltweit hat demnach schon Gewalt in der Familie erfahren, in Bayern sieht es kaum besser aus. Hier ist jede vierte Frau betroffen, weiß Hilde Langfeld, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Fürth. Gewalt hat dabei viele Gesichter, auch Beleidigungen, permanente Sticheleien oder psychischer Druck fallen darunter; Körperverletzung oder sexuelle Übergriffe sowieso.

Rund 250 Anzeigen zählte die Polizei vergangenes Jahr in Fürth, die Dunkelziffer dürfte jedoch weit höher liegen. In jedem dritten Fall werden außerdem Kinder Zeugen der Auseinandersetzungen, was besonders tragisch ist. Nicht nur, weil ihre Seelen dabei Schaden nehmen: Erwiesenermaßen setzt sich die Gewalt später fast immer in der eigenen Familie fort.

Dass viele Frauen doch irgendwann den Kreislauf, in dem sie gefangen sind, durchbrechen, zeigen die Erfahrungen des Fürther Frauenhauses: Alle Plätze sind fast immer belegt, berichtet die Vorsitzende Eva Göttlein. Auch weil bezahlbare Wohnungen für alleinstehende Frauen, meist mit Kindern, schwierig zu finden sind, verspricht sie sich viel vom neuen Beratungsansatz: „Bei einem Gespräch können wir vielleicht auch manche Betroffene dazu ermuntern, mit den Kindern in der bestehenden Wohnung zu bleiben und den Mann zum Umzug zu bewegen.“

Keine Kommentare