90 Prozent aller Menschen infiziert

Herpes: Fränkische Wissenschaftler entschlüsseln das lästige Problem

Isabella Fischer

Hochschule & Wissenschaft

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9.5.2022, 17:55 Uhr
Das Herpesvirus macht sich bei vielen Menschen im Laufe des Lebens bemerkbar. Meist als lästige und juckende Lippenbläschen, die mehrere Tage lang bleiben. 

© RFBSIP - stock.adobe.com Das Herpesvirus macht sich bei vielen Menschen im Laufe des Lebens bemerkbar. Meist als lästige und juckende Lippenbläschen, die mehrere Tage lang bleiben. 

Viele Menschen kennen dieses unangenehme Gefühl: Plötzlich fängt es an der Lippe an zu jucken, es bilden sich lästige Bläschen - Herpes. Mehr als acht verschiedene Herpesviren sind bislang bei Menschen bekannt. Was sie vereint: Sie alle nisten sich nach der akuten Infektion dauerhaft im Körper ein und können nach einer Ruhephase unter bestimmten Umständen wieder aufwachen, sich vermehren und andere Zellen befallen. Neben juckenden Lippenbläschen kann auch der schmerzhafte Hautausschlag, die Gürtelrose, entstehen.

Lars Dölken ist Professor am Institut für Molekulare Infektionsbiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Lars Dölken ist Professor am Institut für Molekulare Infektionsbiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. © IMIB

Mit dem humanen Herpesvirus 6 (HHV-6) sind mehr als 90 Prozent aller Menschen infiziert - viele merken es nie, bei anderen wacht das Virus ein Mal im Jahr auf, andere haben damit öfter zu kämpfen. Zum wirklichen Problem wird das Virus erst, wenn es wiederholt aktiviert wird, denn dann kann das Virus ernste gesundheitliche Probleme mit sich bringen.

Forscher der Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg haben jetzt herausgefunden, wie sich das Virus reaktiviert. Die meisten Herpesviren haben im Lauf der Evolution gelernt, kleine RNA-Moleküle, sogenannte Mikro-RNAs, einzusetzen, um ihre Wirtszellen zu ihrem Vorteil umzuprogrammieren. Dr. Bhupesh Prusty, Gruppenleiter am Lehrstuhl für Virologie und Prof. Lars Dölken vom Institut für Molekulare Infektionsbiologie an der JMU konnten jetzt erstmals zeigen, wie eine virale Mikro-RNA als Masterregulator fungiert, um die Reaktivierung des Virus auszulösen.

Im Fachmagazin "Nature" haben die Forscher den bislang unbekannten zellulären Mechanismus vorgestellt, mit dem das humane Herpesvirus reaktiviert wird.

Probleme nach der Reaktivierung des Virus

Das HHV-6 steht im Verdacht, für mehrere gesundheitliche Probleme verantwortlich zu sein. Unter anderem kann das Virus die Herzfunktion beeinträchtigen, die Abstoßung transplantierter Organe verursachen und Krankheiten wie Multiple Sklerose oder das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) auslösen. Jüngere Studien zeigen zudem einen Zusammenhang zwischen der Reaktivierung des Herpesvirus und der Entstehung einer Bipolaren Störung und weiteren Krankheiten, die das Nervensystem betreffen.

Dr. Bhupesh Prusty ist Gruppenleiter am Lehrstuhl für Virologie der JMU Würzburg und beschäftigt sich mit den Auslösern des Herpesvirus. 

Dr. Bhupesh Prusty ist Gruppenleiter am Lehrstuhl für Virologie der JMU Würzburg und beschäftigt sich mit den Auslösern des Herpesvirus.  © Privat

"Wie Herpesviren aus dem Ruhezustand reaktivieren, ist die zentrale Frage bei der Forschung an Herpesviren", sagt JMU-Virologe Lars Dölken. "Wenn wir das verstehen, wissen wir, wie wir therapeutisch eingreifen können."

Das Forschungsteam möchte jetzt den genauen Mechanismus verstehen, über den die virale Mikro-RNA die Reaktivierung des Virus in Gang bringt. Zudem gibt es erste Hinweise darauf, dass auch andere Herpesviren über den gleichen Mechanismus reaktiviert werden können. Das könnte therapeutische Optionen aufzeigen, um eine Reaktivierung der Viren entweder ganz zu verhindern oder gezielt auszulösen, um dann die reaktivierenden Zellen auszuschalten.

Finanziell gefördert wird das interdisziplinäre Forschungsprojekt unter anderem vom Europäischen Forschungsrat im Rahmen eines ERC Grants. Mit dem ERC Grant fördert der Forschungsrat Spitzenwissenschaftler, um grundlagenorientierte Forschung voran­zu­treiben sowie neue interdisziplinäre Wissensgebiete zu erschließen.

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