Misshandlungen bei Domspatzen: Mindestens 547 Opfer

18.7.2017, 13:23 Uhr
Misshandlungen bei Domspatzen: Mindestens 547 Opfer

© Lorenz Bomhard

Vor allem in der Vorschule, aber auch im Gymnasium sei es zu Gewalt gegen Schüler gekommen, sagte der mit der Aufklärung beauftragte Rechtsanwalt Ulrich Weber. Betroffene hätten ihre Schulzeit als "Gefängnis, Hölle und Konzentrationslager" bezeichnet. Viele schilderten die Jahre als "schlimmste Zeit ihres Lebens, geprägt von Angst, Gewalt und Hilflosigkeit". Die Untersuchung umfasst Fälle zwischen 1945 und Anfang der 1990er Jahre. Die Betroffenen sollen mit jeweils bis zu 20.000 Euro entschädigt werden.

Bekanntgeworden waren die ersten Fälle 2010. Nach und nach haben sich hatten sich mehrere Hundert ehemalige Sänger des Chors gemeldet, weil sie körperlich und teils auch sexuell misshandelt worden waren.

"Wir haben alle Fehler gemacht und haben viel gelernt. Wir sehen heute, dass wir früher manches besser hätten machen können", sagte der Regensburger Generalvikar Michael Fuchs am Dienstag. So sei es nicht richtig gewesen, darauf zu warten, dass sich Betroffene meldeten. Man hätte vielmehr aktiv auf die Menschen zugehen müssen.

Ratzinger mit großem Anteil an der Aufarbeitung

Der ehemalige Domkapellmeister Georg Ratzinger nehme großen Anteil an der Aufarbeitung, sagte Fuchs. Der Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI. sei ein emotionaler Mensch und habe früher auch Ohrfeigen ausgeteilt. Dies habe er aber mittlerweile bedauert und sich auch entschuldigt. Von sexuellem Missbrauch habe er mit Ausnahme eines Falles nichts gewusst. Auch das Ausmaß der Gewalt habe Ratzinger falsch eingeschätzt, sagte der Generalvikar.


Aufklärung gibt Opfern Würde zurück:
Ein Kommentar von NN-Redakteur Lorenz Bomhard


Als 2010 die ersten Meldungen über die Vorfälle kamen, habe man mit besten Wissen und Gewissen versucht, damit umzugehen, sagte Fuchs. Dabei habe man sich nach dem Regelwerk für die deutschen Diözesen gerichtet. "Wir haben aber gemerkt, es reicht nicht." 2011 sei deutlich geworden, dass es viele Körperverletzungen gegeben habe, für die dieses Regelwerk nichts vorgesehen habe.

Auch Bischof Rudolf Voderholzer hat seit Beginn seiner Amtszeit in Regensburg Anfang 2013 die Aufklärung des Skandals maßgeblich vorangetrieben. "Ich kann es nicht ungeschehen machen und die Opfer nur um Vergebung bitten", sagte er im vergangenen Herbst.

Voderholzers Vorgänger als Bischof von Regensburg, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, war wiederholt vorgeworfen worden, die Aufklärungsarbeit behindert zu haben. Nach Bekanntwerden des Skandals hatte er gesagt, der Missbrauch durch Priester sei von Medien aufgebauscht worden. Müller wehrte sich gegen den Verdacht, der Aufklärung entgegengestanden zu haben.

Der Artikel wurde um 13.23 Uhr aktualisiert.

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