Nach Genua: Wie groß ist die Gefahr auf Bayerns Brücken?

16.8.2018, 05:57 Uhr
Die meisten Autobahnbrücken wurden in den 1960er Jahren errichtet, ihre normale Lebensdauer beträgt rund 50 Jahre.

© Horst Linke Die meisten Autobahnbrücken wurden in den 1960er Jahren errichtet, ihre normale Lebensdauer beträgt rund 50 Jahre.

Es ist gerade einmal zwei Jahre her, da geschieht in Unterfranken das Unfassbare. Auf der A7 bei Werneck stürzt ein Teil der Schraudenbach-Talbrücke in die Tiefe – und mit ihm 21 Männer, die an der Neukonstruktion der Brücke arbeiteten. Einer von ihnen stirbt.

Bei diesem Ereignis landet, wer nach der Tragödie von Genua die Frage stellt, wie sicher deutsche Autobahnbrücken sind. Eine Frage, deren Antwort fast immer so ausfällt: Ja, die Sicherheitsstandards sind hoch, aber Nein, ausschließen lässt sich eine Katastrophe wie in Italien auch in Deutschland nicht.

"Vertrauen in das System"

"Prinzipiell ist so etwas immer möglich, wenn es zu einer Verkettung unglücklicher Umstände kommt", sagt Friedo Mosler, Professor an der Fakultät für Bauingenieurwesen der Technischen Hochschule Nürnberg. Widrige Wetterbedingungen, ein unterspültes Fundament, unkontrollierte Bauarbeiten – all das könne potenziell eine Katastrophe auslösen. Grundsätzlich hat der Experte, der sich unter anderem mit Spann- und Stahlbetonbau befasst, aber "Vertrauen in das System", das in der Bundesrepublik folgenschwere Unfälle verhindern soll. 

Dieses System sieht vor, dass jede der 40.000 Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen alle sechs Jahre einer Hauptprüfung und alle drei Jahre einer Nebenprüfung unterzogen wird. Trotz aller technischen Möglichkeiten, Gefahren zu erkennen – manche Büros setzen sogar Wahrscheinlichkeitsrechnung ein – bleibt auch hier ein Restrisiko. "Wie wollen Sie in eine Brücke hineinschauen?", sagt Mosler. Dass eine Brücke infolge der Prüfung gesperrt wird, kommt immer wieder mal vor; oft ist auch eine Begrenzung auf eine Fahrspur die Folge, um die Last auf das Bauwerk zu minimieren.

Jede zehnte Brücke hat massive Mängel

Die Infrastruktur zu erhalten, ist eine gewaltige Aufgabe. Die meisten Autobahnbrücken wurden in den 1960er Jahren errichtet, "ihre normale Lebensdauer beträgt 50 Jahre", sagt Mosler. Spätestens seit dem Jahr 2010 sind also massive Anstrengungen für ihren Erhalt nötig. Anstrengungen, die nach Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen aber nicht umfassend genug ausfallen. Nach einer Aufstellung der Behörde ist mehr als jede zehnte Brücke an Bundesstraßen oder Autobahnen in einem "nicht ausreichenden" oder gar "ungenügenden Zustand".


Kommentar: Unwürdige Debatte nach dem Brückeneinsturz


Anlass zum Alarmismus lässt sich daraus aber nur bedingt ableiten. "Eine ungenügende Bewertung heißt nicht automatisch, dass eine Brücke einsturzgefährdet ist", sagt Experte Mosler. Die Behörde selbst schreibt: Ein ungenügender Zustand könne beispielsweise auch in fehlenden Geländern und damit mangelnder Verkehrssicherheit begründet sein. Sollte bei einer Prüfung eine gefährdete Standsicherheit festgestellt werden, würden sofort Maßnahmen ergriffen. 

Eine Brücke in Bayern ist "ungenügend"

In Bayern verweist die SPD seit Jahren auf die in ihren Augen verfallende Infrastruktur. Gut 1400 von über 5400 Staatsbrücken seien sanierungsbedürftig, das hatte eine SPD-Anfrage an die Staatsregierung im Juni ergeben. Auch jede fünfte mittelfränkische Brücke erhielt die Note 2,5 oder schlechter und wurde damit in die Sanierungsliste aufgenommen. In Oberfranken und der Oberpfalz ist es sogar jede dritte. 

Unter den marodesten Brücken in Deutschland ist auch eine aus Bayern. Der Zustand des Bauwerks, das in Ismaning über die Isar führt, wird von der Bundesanstalt für Straßenwesen mit "ungenügend" bewertet – bundesweit werden nur neun weitere Bauwerke so schlecht eingestuft. 

Der Staat braucht Bauingenieure

Dabei fehlt es nicht unbedingt am Geld. So wurden in den Jahren zwischen 2013 und 2017 vom Landtag zwar insgesamt 167 Millionen Euro für Brückenreparaturen eingeplant, aber nur knapp 105 Millionen Euro ausgegeben, also 37 Prozent weniger als geplant, rechnet die SPD vor.

Eine Ursache dafür: Es fehlt dem Staat an Bauingenieuren. "Momentan ist das Personal in den Bauämtern dünn", erklärt Professor Mosler. Auch viele Absolventen der TH Nürnberg zieht es nach dem Studium in die privaten Ingenieurbüros oder in die großen Baufirmen, die in der Regel besser zahlen als der Staat. So bleiben viele Sanierungsprojekte erst einmal liegen, zumal der Aufwand für eine Brückensanierung enorm ist – vor allem dann, wenn das Bauwerk Teil einer wichtigen Verkehrsader ist.

 

 

 

 

 

10 Kommentare