Abtreibungsmittel im Dessert: Wirkte Mittel überhaupt?

18.6.2016, 06:00 Uhr

Seit im April der Prozess gegen ihn begann, filmen regelmäßig Kameraleute im Amtsgericht. Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Schwangeren wird ihm vorgeworfen, eine gemeine Tat und eine Geschichte für den Boulevard. So erschien die Geschädigte, 29 Jahre, jung und hübsch, zu den ersten Prozesstagen mit dem Kamerateam eines privaten TV-Senders im Schlepptau, sie tritt als Nebenklägerin auf.

Doch der Prozess entpuppte sich als aufwendiger als anfangs gedacht. Gerade wird er neu aufgerollt und nun bleibt der Medienandrang aus. Dabei beginnt die Sitzung, aus Sicht der Verteidigung, mit einem Paukenschlag: Anwalt Maximilian Bär will Professor Peter Betz, Chef der Rechtsmedizin Erlangen, aus dem Verfahren bugsieren. Betz, der schon Tausende Leichen seziert und in noch mehr Prozessen als Gutachter ausgesagt hat, ist Experte, wenn es darum geht, den Tod zu klassifizieren – und nun zweifelt der Angeklagte an der Kompetenz des Mediziners und hält ihn für befangen.

Der Hintergrund: Harry H. (Namen der Betroffenen geändert) hatte, das gibt er zu und nennt es selbst den "schlimmsten Fehler seines Lebens", am 21. März 2015 seine damalige Freundin Nora besucht und ihr eine Mokkacreme, versetzt mit der Abtreibungspille Mifegyne, serviert. Das Medikament hatte er in Tschechien besorgt. Nora rief am Abend, geplagt von Krämpfen, den Rettungsdienst. Sie erlitt einen Abgang, und zu allem Überfluss machte H. gleich darauf auch noch per Textnachricht aufs Handy mit ihr Schluss.

Doch in ihr keimte der Verdacht, dass mit der Mokkacreme etwas nicht stimme, sie ließ sich Blut nehmen, Mifegyne wurde nachgewiesen.

All dies klang nach einem miesen Plan und einer einfachen Beweisführung. Doch ist es wirklich so einfach? Eben weil das Verfahren in der Öffentlichkeit für Aufsehen sorgte, meldete sich die Firma, die Mifegyne vertreibt, und ein Gynäkologe, der Abtreibungen vornimmt, bei den Juristen: Aus deren Sicht könne die einmalige Einnahme von Mifegyne nicht zum Abgang geführt haben.

Die Verteidigung spricht daher nur von einem versuchten Schwangerschaftsabbruch – freilich ist auch der Versuch strafbar. Staatsanwalt Matthias Held erweiterte seine Anklage: Er wirft H. nun vor, dass er seiner Ex-Freundin auch einen Döner und eine Portion Sushi, versetzt mit Mifegyne, auftischte. Dass mehrere Gaben den Abort auslösten, hält auch Rechtsmediziner Betz für wahrscheinlicher – und diese Flexibilität des Mediziners begründet auch den Befangenheitsantrag, den das Schöffengericht jedoch zurückweist.

Mit weiteren Zeugen soll nun geklärt werden, ob der Abgang, etwa aufgrund eines Blutergusses an der Gebärmutter, natürliche Ursachen gehabt haben könnte. Tatsächlich litt die Schwangere schon Wochen vorher unter Blutungen. Jedoch liefert der pathologische Befund des Fötus und der Plazenta keine Hinweise auf ein Hämatom.