Bombe tickt: Klinikum spielt Evakuierung durch

26.4.2013, 00:00 Uhr
Bombe tickt: Klinikum spielt Evakuierung durch

© Klinikum

Mit einem gewissen Stolz deutet Klinikumsvorstand Dr. Alfred Estelmann auf den Plan, der das Südklinikum im Jahr 2040 zeigt. Im Endausbau wird sich die Fläche des Krankenhaus-Areals in Langwasser im Vergleich zum Start vor 19 Jahren verdoppelt haben. Der Bebauungsplan ist seit kurzem rechtskräftig, bald beginnen — nach Verzögerungen durch den langen Winter — die Bauarbeiten für ein Parkhaus mit 800 Stellplätzen.

So weit, so schön. Doch bevor auf dem Klinikumsgelände irgendwo die Bagger anrücken können, verrichten Mitarbeiter einer Spezialfirma für Kampfmittelsondierung ihr Werk. Sie schieben Sonden ins Erdreich, um festzustellen, ob dort ein Blindgänger aus Kriegszeiten schlummert. Auswertungen von Luftbildern belegen, dass im heutigen Langwasser nicht viel weniger Bomben abgeworfen wurden als im Stadtkern.

Was wäre also, wenn? Mit dem neuen Evakuierungsradius von einem Kilometer — vorher waren es nur 250 Meter — müsste das gesamte Südklinikum geräumt werden. Wenn es voll belegt ist, sind dort 950 Patienten untergebracht. „Wir haben maximal 72 Stunden Zeit, um zu räumen“, meint Estelmann, der inständig hofft, dass dieser Ernstfall nie eintreten wird. Insgesamt acht Arbeitsgruppen der Stadt Nürnberg befassen sich mit diesem Szenario, die Arbeitsgruppe des Klinikums ist nochmals in elf weitere Teams unterteilt.

„Wenn wir alle geplanten Operationen absagen, können wir die Patientenzahl innerhalb von drei Tagen halbieren“, schildert der Vorstand die ersten Schritte. Genauso verfährt das Nordklinikum, das dann möglichst viele bettlägerige Kranke aus dem Süd-Standort aufnehmen kann. Die Geburtshilfe würde kurzerhand ins Laufer Krankenhaus verlegt, die Nierenpatienten fänden ein Ausweichquartier in der Uni-Klinik Erlangen.

Patienten des Zentrums für Schwerbrandverletzte oder die Winzlinge aus der Frühchen-Intensivstation müssten in Spezialkliniken an anderen Standorten in Deutschland ausgeflogen werden. Die anderen Krankenhäuser in Nürnberg werden natürlich ebenfalls um Hilfe gebeten.

Die Rettungsdienste, die Bundeswehr, das Technische Hilfswerk — alle müssen mit ihrem Personal, ihren Fahrzeugen oder auch Hubschraubern bereitstehen, um diese Aufgabe stemmen zu können. Busse der VAG werden vermutlich dazu gebraucht, um die vielen betroffenen Anwohner aus der Sperrzone zu transportieren. Die Polizei bereitet sich vor, das betroffene Gebiet abzuriegeln. Dringend benötigte Helfer werden vermutlich mit Shuttle-Bussen zu ihren Einsatzorten gefahren.

Bombe tickt: Klinikum spielt Evakuierung durch

© Matejka

Die zentrale Gas- und Stromzufuhr für das Krankenhaus muss im Ernstfall ebenfalls gekappt werden. Für das Trinkwasser hat das Klinikum mit der N-Ergie noch einen minimalen Durchlauf durch die Leitungen vereinbart. „Wenn wir das nicht tun, würde es nach der Entschärfung Tage dauern, bis wir wegen der Gefahr von Legionellen wieder Wasser im Klinikum hätten“, meint Bauleiter Karlheinz Moßner. Für alle Fälle könnte aber die Feuerwehr von Altenfurt aus eine oberirdische Wasserleitung zum Krankenhaus legen.

Nach der Entschärfung läuft der ganze „Film“ sozusagen rückwärts — welche Kosten eine solche Woche im Notbetrieb kosten würde, hat sich Estelmann lieber noch gar nicht ausgerechnet. Sein Trost: Bisher sind bereits 80 Prozent des Untergrunds für den Parkhausbau von der Kampfmittelsondierung untersucht — ohne „Befund“. Doch mit der Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie direkt neben dem Herz-Gefäß-Zentrum am Haupteingang steht das nächste Bauprojekt ins Haus. Und bis 2040 werden noch viele weitere folgen.

In unmittelbarer Nachbarschaft laufen die Arbeiten für das Langwasserbad — auch da läge das gesamte Südklinikum bei einem Bombenfund in der Ein-Kilometer-Zone. Mit einem solchen Evakuierungsszenario müssten aber auch das Nordklinikum, alle anderen Krankenhäuser oder auch Altenheime in Bayern rechnen.

Zum Glück wurde in Nürnberg bislang keine Fliegerbombe mit einem gefährlichen Säurezünder wie im Sommer 2012 in München gefunden. Und die letzte Entscheidung, in welchem Umkreis die Gebäude vor einer Entschärfung evakuiert werden müssen, trifft der Sprengmeister.
 

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