Brutaler Mord am Döner-Stand

10.6.2005, 00:00 Uhr
Brutaler Mord am Döner-Stand

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Schon die Absperrung an der Scharrerstraße deutet darauf hin, dass es sich um einen außergewöhnlichen Fall handelt. Die Seitenstraße der Regensburger Straße ist am Donnerstagvormittag zum größten Teil abgeriegelt, über dem Tatort kreist der Polizeihubschrauber und filmt; aus München sind Schusswaffen-Spezialisten des Landeskriminalamts unterwegs.

Was ist passiert? Um 10.15 Uhr findet ein Kunde im Döner-Stand „Scharrer-Imbiss“ den Besitzer Ismail Y. Der 50-Jährige liegt leblos hinter der Ladentheke. Der Kunde ruft den Notarzt, der nur noch den Tod feststellen kann, aber eine Schusswunde am Kopf erkennt — einer von mehreren Einschüssen. Binnen Sekunden läuft der Großeinsatz der Polizei an. Die Straße wird abgeriegelt.

Am Tatort treffen Mordkommission und Spurensicherung ein und verschaffen sich einen Überblick, bevor die Feinarbeit beginnt. Kriminalrat Peter Grösch, Sprecher des Präsidiums und selbst lange Jahre bei der Mordkommission, spricht an der Absperrung mit Passanten und beantwortet geduldig Fragen.

Anwohner sind schockiert. Erst vor wenigen Tagen war die dortige Sparkassenfiliale überfallen worden: „Das ist schrecklich hier“, sagt ein junger Mann. Mädchen und Jungen der Schule an der Scharrerstraße beobachten die Tatortarbeit der Polizisten, die in Schutzanzüge gehüllt sind. Manche Kinder brechen in Tränen aus. Alle im Viertel kennen das Opfer, seine familiären Probleme durch eine Trennung, seinen 15-jährigen Sohn, der das Schulhaus gegenüber der Döner-Bude besucht; etliche haben sich selber bei Ismail Y. ausgesprochen. Der Imbiss galt als Stadtteil-Treff. Auch der türkische Generalkonsul Munus Dirik kommt zum Tatort, informiert sich und kondoliert Angehörigen.

Angesichts der Todesumstände — wieder sprachen Augenzeugen am Tatort von „möglicher Hinrichtung“ — gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer ungeklärten Mordserie: Im September 2000 wurde in Langwasser der Blumengroßhändler Enver Simsek erschossen; im Juni 2001 starb der Schneider Abdurrahim Özüdogru in der Südstadt; wenige Wochen später wurden türkische Obsthändler in München und Hamburg niedergestreckt. Wieder waren es Kopfschüsse. Bei allen vier Morden wurde aus der selben Waffe mit Munition vom Kaliber 7,65 geschossen.

Erst jetzt wurde von der Polizei ein weiterer Fall der Serie bestätigt: Im Februar 2004 starb ein 25-jähriger Betreiber einer Döner-Bude in Rostock; er wurde geprügelt und erschossen. Wieder die bevorzugte Tatzeit: vormittags. Das Bundeskriminalamt hat nach der Nürnberger Sonderkommission „Halbmond“ den Fall übernommen. Denn es gibt angeblich auch Hinweise auf ähnliche Morde in Holland, Frankreich und England.

Kriminalisten vermuten, dass die Kopfschüsse Strafaktionen eines Drogenrings sind. Möglicherweise wurden Räume der biederen Geschäftsleute als Depots genutzt. Aber auch von Schutzgelderpressungen war bereits die Rede.

Die Kriminalpolizei sucht nun dringend Zeugen, die Ismail Y. am Donnerstag, nach 9.15 Uhr, gesehen haben. Am Körper des Toten wurden mehrere Schussverletzungen entdeckt. Wer hat Schüsse gehört? Wer hat Verdächtiges beobachtet? Wer kannte Ismail Y.? Hinweise unter Telefon (09 11) 2 11-33 33.