Cinecittà will Mindestlohn geschickt umgehen

9.1.2015, 06:00 Uhr
Im Cinecittà arbeiten bis zu 500 Angestellte. Den größten Teil machen sogenannte Minijobber aus. Das Unternehmen plant jetzt, den Verzehr von Essen und Kinobesuche der Mitarbeiter auf den Mindestlohn anzurechnen.

© Hagen Gerullis Im Cinecittà arbeiten bis zu 500 Angestellte. Den größten Teil machen sogenannte Minijobber aus. Das Unternehmen plant jetzt, den Verzehr von Essen und Kinobesuche der Mitarbeiter auf den Mindestlohn anzurechnen.

Zwischen 300 und 350 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Nicht mit eingerechnet sind die Angestellten der Programmkinos "Meisengeige" und "Metropolis".

Anfang Januar verschickte die Kino-Geschäftsleitung eine Rundmail, die der Lokalredaktion der Nürnberger Nachrichten vorliegt. Die aber kommt bei vielen Mitarbeitern gar nicht gut an. Darin wird beschrieben, wie das Unternehmen an der Pegnitz, die Fantasia Film GmbH und Co. Verleih AG, im eigenen Haus künftig mit dem Mindestlohn umgehen will. Demnach werden "gewährte Sachleistungen" wie Kinoeintritt und der Verzehr in den Restaurants des Multiplexkinos von der Geschäftsleitung als "Lohnbestandteil, der auf den Mindestlohn angerechnet werden kann", betrachtet. Das heißt: Das Unternehmen zieht seinen Mitarbeitern pro geleisteter Arbeitsstunde 1,44 Euro ab, die als Guthaben im Haus ausgegeben werden sollen.

Ein Rechtsverstoß? Cinecittà-Sprecherin Renate Schneider sieht das nicht so: „Die Regularien, die das Mindestlohngesetz vorgibt, werden selbstverständlich eingehalten.“ Es handle sich lediglich um einen "Vorschlag", den die Fantasia derzeit prüfen lasse. In der Mail an die Mitarbeiter klingt das anders, von einem Vorschlag ist keine Rede: "Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir bei den zuständigen Behörden unsere Rechtsauffassung prüfen lassen werden, nach der diese Sachleistungen auf den Mindestlohn angerechnet werden können." Zuständig ist die beim Zoll angesiedelte Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Sie kann prüfen, ob Betriebe tatsächlich Mindestlohn zahlen. Eine Entscheidung liegt hier noch nicht vor. Schneider: „Fällt sie negativ aus, werden wir selbstverständlich den Mindestlohn voll als Barlohn ausbezahlen.“

"Kreative Energie"

Bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di schrillen die Alarmglocken. Bezirkschef Jürgen Göppner spricht von einer "Riesensauerei". "Wenn Kinobetreiber Wolfram Weber das durchsetzt, muss er sich auf einige Protestaktionen von uns einstellen." Der Mindestlohn von 8,50 Euro müsse komplett ausbezahlt werden. "Die Angestellten haben einen Anspruch darauf. Sie sollen auch entscheiden dürfen, wo sie ihr verdientes Geld ausgeben wollen", schimpft er.

Das Cinecittà ist laut Göppner schon bekannt für seine "kreative Energie", wenn es um die Situation der Belegschaft in seinem Unternehmen gehe. Der Bezirkschef erinnert an das mehrmonatige Gerangel um den Betriebsrat 1997. Der Kinobetreiber habe sich damals vehement gegen die Gründung eines Betriebsrates gestellt. Vor dem Arbeitsgericht hatte er die Einsetzung eines ersten Wahlvorstandes erfolgreich angefochten. Im Gegenzug war er aber verpflichtet worden, auf das von ihm ins Spiel gebrachte Sprecherrats-Modell zu verzichten und stattdessen die Betriebsratswahl zu unterstützen. "Wir haben ja schon darauf gewartet, wann der erste Rechtsverstoß beim Mindestlohn bekannt wird. Das Cinecittà ist nun der Vorreiter", sagt Göppner.

Matthias Klar, Sprecher der Nürnberger Arbeitsagentur, weist auf Beispiele in andern Branchen hin. Denn auch bei den Saisonarbeitern in der Landwirtschaft sollen Arbeitgeber die Kosten für deren Unterkunft und Verpflegung auf den Mindestlohn anrechnen können. Das war auch vor dem 1. Januar schon möglich.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat für Fragen zum Mindestlohn eine Hotline eingerichtet. Rufnummer: (03 91) 4 08 80 03.

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