Das neue Geburtshaus ist eröffnet

10.1.2013, 09:10 Uhr
Das neue Geburtshaus ist eröffnet

© Roland Fengler

Das Baby schläft selig im Tragetuch an Mamas Körper. Flurina Schmidt, die Vorsitzende des Vereins „mamaprotest“, hat ihr jüngstes Kind daheim zur Welt gebracht. Ein Geburtshaus gab es in Nürnberg zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr. Die junge Mutter hat das sehr bedauert, weil sie ihr erstes Baby dort zur Welt gebracht hat und sehr glücklich mit dieser Entscheidung war. Doch die Geburtshelferinnen hatten aufgegeben, weil die Kosten für ihre Haftpflichtversicherung so sehr gestiegen waren, dass sie es sich nicht mehr leisten konnten, Kinder auf die Welt zu begleiten. Das Haus in Schoppershof schloss 2011 ganz, das in Schniegling bietet weiterhin die Betreuung von Frauen vor und nach der Geburt an.

Acht Hebammen aus Nürnberg und der Region wollen nun dafür sorgen, dass Frauen sich wieder zwischen Klinik und Geburtshaus entscheiden können. Daneben arbeiten sie weiter in ihren Praxen, betreuen Schwangere und Mütter nach der Entbindung und begleiten Familien, in denen das Kind daheim geboren werden soll. Die Haftpflicht von 4250 Euro muss jede von ihnen also ohnehin bezahlen. Anders als bei den Hausgeburten können sie sich als Team im Geburtshaus gegenseitig entlasten. Hat die eine schon eine 24-Stunden-Schicht hinter sich, übernehmen zwei Kolleginnen den Rufdienst. Das Telefon ist immer besetzt. Das Interesse der Schwangeren, ihr Kind im Geburtshaus zur Welt zu bringen, sei groß, berichten die Hebammen aus ihrer täglichen Arbeit in den Praxen. Ob Erstgebärende oder Mehrfachmutter – eine jede hat ihre ganz eigenen Gründe dafür, nicht in die Klinik gehen zu wollen. „Manche fürchten die Macht der Menschen, die dort arbeiten“, sagt Xenia Hasenschwanz, die in Fürth die Hebammenpraxis Mutter-Kind-Atelier leitet. „Es wird dort viel forciert und pathologisiert. Die Entfernung vom eigentlichen Handwerk der Hebammen ist groß.“

Und trotzdem, das Geburtshaus-Team will die Arbeit der Kolleginnen in den Kliniken nicht schlechtreden. Sie wissen um die Bedingungen, unter denen sie dort ihren Dienst tun, um den Zeitdruck. „Sie haben gar nicht die Möglichkeit, sich mit den Frauen intensiv zu beschäftigen. Da kommt ein Bauch, über den Menschen wissen sie nichts“, sagt Xenia Hasenschwanz. „Wir haben nichts gegen Schulmedizin“, fügt Katja Münch hinzu, selbst Hebamme und im Vorstand von „mamaprotest“ vertreten. „Aber wir möchten, dass die Frauen ihren eigenen Weg gehen können. Jede von ihnen und jedes Kind ist doch ein Individuum.“ In bestimmten Fällen verweisen die Hebammen die Frauen aber doch an die Kliniken: Wenn sich Mehrlinge ankündigen, wenn das Baby quer liegt oder mit dem Kopf nach oben oder wenn die Mutter gesundheitliche Probleme hat. Katja Münch betont: „Auch wir machen eine sichere Geburtshilfe. Wir tun nichts, was nicht schulmedizinisch vertretbar ist.“

Die Technik ist im Geburtshaus auf das Wesentliche beschränkt, es gibt einen Wehenschreiber, der neben dem großen Bett steht, und eine notfallmedizinische Ausrüstung. Das Ultraschallgerät ersetzen die Hände der Hebamme. Wer möchte, kann sein Kind auch auf einem Gebärstuhl sitzend zur Welt bringen oder auf einem Kanapee. Und tritt tatsächlich ein Notfall ein, ist die Cnopf’sche Kinderklinik schnell erreichbar, sie ist nur 1,4 Kilometer entfernt.

Wichtig ist den Frauen von „mamaprotest“ und den Hebammen vom neuen Geburtshaus – „Weisses Haus“ heißt es übrigens –, die Gesellschaft mit ins Boot zu holen. „Alle sind in das Thema involviert, nicht nur die Frauen“, sagt Flurina Schmidt. Ein Jahr lang möchten sie ihrem Projekt Zeit geben, viel Geld und Arbeit haben sie schon jetzt investiert. Nun wollen sie sehen, wie es mit Unterstützung aussieht, vonseiten der Stadt, vonseiten der Bürger. „Das Projekt kann nur funktionieren, wenn die Wahlfreiheit der Frauen von der Gesellschaft unterstützt wird“, sagt Katja Münch.

Doch auch wenn ihre Arbeit nicht die Anerkennung bekommt, die sie verdient hat, wenn sie anstrengend und schlecht bezahlt ist – der Stundenlohn liegt alles in allem bei 7,50 Euro – die Hebammen lieben ihren Beruf. „Er ist spannend, es gibt keine Routine“, sagt Leslie Zimmermann, die ebenfalls im Mutter-Kind-Atelier arbeitet. Und, fügt Katja Münch hinzu: „Man darf immer wieder bei einem Wunder dabei sein! In welchem anderen Beruf hat man das schon?“

Der Verein „mamaprotest“ ist auf Unterstützung angewiesen, um das Geburtshaus finanzieren zu können. Wer einen Beitrag leisten möchte, kann eine Spende auf folgendes Konto überweisen: GLS Bank, Kontonummer: 8216150100, Bankleitzahl: 43060967. Am Freitag, 11. Januar, und am Freitag, 8. Februar, finden jeweils um 19 Uhr Informationsabende im Geburtshaus statt: Innerer Kleinreuther Weg 23, 377543, www.weisses-haus-nürnberg.de
 

Keine Kommentare