Drogentote in Nürnberg: Keine Entwarnung - im Gegenteil

11.7.2016, 20:24 Uhr
Neun Drogentote zählt Nürnberg im ersten Halbjahr 2016 und damit ebenso viele wie 2015 um diese Zeit.

© dpa Neun Drogentote zählt Nürnberg im ersten Halbjahr 2016 und damit ebenso viele wie 2015 um diese Zeit.

Es ist ein beunruhigender Trend: Die Zahl der Drogentoten ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Bislang sind im ersten Halbjahr 2016 in Bayern insgesamt 145 Menschen gestorben, teilte das Bayerische Landeskriminalamt nun mit. Das sind ebenso viele wie von Januar bis Juni 2015. Wie sich die Zahlen in der zweiten Jahreshälfte entwickeln, kann heute natürlich noch keiner sagen. Sicher ist nur: Seit Jahren sterben immer mehr Menschen an Rauschgift. 2013 waren es in ganz Bayern noch 230 Fälle, 2014 bereits 251. 2015 meldete das Innenministerium 314 Drogentote.

Ein Trend, der sich auch in Nürnberg zeigt: Neun Drogentote zählt Bertram Wehner von der Drogenhilfe Mudra seit Beginn des Jahres bis heute. Eine Zahl, die das Polizeipräsidium Mittelfranken bestätigt. "Das sind genau so viele wie im vergangenen Jahr Anfang Juli", so Wehner. "Deswegen kann man zum Halbjahr noch keine Entwarnung geben, muss aber auch nicht hysterisch sein", meint er. Insgesamt starben im vergangenen Jahr 27 Drogenkonsumenten.

In den letzten Jahren habe sich allerdings gezeigt, dass die Zahl im Herbst noch einmal ansteigt. Im vergangenen Jahr starben allein von Oktober bis Dezember mehr Menschen als im gesamten ersten Halbjahr. Woran das liegt? "Darüber zerbrechen sich Experten seit Jahren den Kopf." Der Geschäftsführer der Mudra kann ebenfalls nur vermuten: "Vielleicht ist in den dunkleren Jahreszeiten einfach ein sorgloserer Konsum möglich."

Kampf gegen den "guten Stoff"

Todesdroge Nummer eins ist bayernweit und auch in Nürnberg nach wie vor Heroin. Hier kämpft die Mudra vor allem, so ironisch es klingt, mit dem "guten Stoff". Die Polizei stellte zuletzt Heroin sicher, dessen Reinheit zwischen 28 und 70 Prozent lag. Das Problem: Je reiner das Heroin desto stärker natürlich seine Wirkung. "Normal, wenn man das so sagen will, für Nürnberg sind rund zehn Prozent. Wenn sich Konsumenten dann plötzlich das 'bessere' Heroin in gewohnter Menge spritzen, ist ein Atemstillstand kein Wunder."

Und auch wenn Heroin die meisten Todesopfer fordert – die in Nürnberg im Schnitt übrigens zwischen 30 und 50 Jahre alt sind – zu kämpfen hat die Drogenhilfe nach wie vor ebenso mit den sogenannten Kräutermischungen. "Die werden uns noch länger Probleme machen", sagt Wehner. Auch das neue Gesetz, dass das Bundeskabinett kürzlich verabschiedete, werde daran, so glaubt er, nichts ändern.

Bei diesen sogenannten "Legal Highs" werden verbotene Stoffe in ihrer chemischen Struktur so verändert, dass sie nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz (BTMG) fallen. Mit dem neuen Gesetz sollen nun nicht mehr nur einzelne Stoffe, sondern ganze Stoffgruppen verboten werden. "Dafür sind Händler aber wohl zu clever und über das Internet gibt es nahezu alles", befürchtet Wehner.

Die Nürnberger Drogenszene besteht laut Schätzungen der Mudra aus rund 1500 bis 1800 Abhängigen. Um die Zahl der Toten zu minimieren, müsse sich vor allem die Gesetzgebung ändern. "Von Drogenkonsumräumen sind wir in Bayern nach wie vor weit entfernt", weiß Wehner. Aber auch Alternativen, wie beispielsweise eine Behandlung, bei der synthetisch erzeugtes Heroin kontrolliert an Konsumenten abgegeben wird, gibt es momentan nur in Form eines Projektes in der Landeshauptstadt. Die zählt im Jahr 2016 bislang übrigens 36 Drogentote. Dass Nürnberg trotzdem als die Stadt mit den meisten Drogentoten bekannt ist, liegt daran, dass nicht die absolute, sondern die Anzahl in Relation zur Einwohnerzahl maßgeblich ist.

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