Fahrrad-Club fordert nach Unfall Abbiege-Assistenten für Lkw

30.10.2013, 07:00 Uhr
Fahrrad-Club fordert nach Unfall Abbiege-Assistenten für Lkw

© Stefan Hippel

Blumen liegen an der Unfallstelle, und Kerzen brennen. Irgendjemand hat Zettel angebracht mit einer Beileidsbekundung, einem Kreuz und der Frage: „Warum?“ Der Tod der 44-jährigen Radfahrerin geht unter die Haut. Sie wurde am Montag auf der Gleißbühlstraße, unweit des Hauptbahnhofs, von einem abbiegenden Lastwagen erfasst. Der Fahrer hatte sie übersehen. Die Frau starb noch an der Unfallstelle (Zum Artikel: Radfahrerin stirbt bei schwerem Verkehrsunfall). Sie ist laut Polizei das erste Opfer, das in diesem Jahr bei einem Radunfall im Stadtgebiet ums Leben kam.

„So wie es aussieht, handelt es sich um einen typischen Radfahrunfall“, sagt Jens Ott vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Nürnberg. Abbiegender Lkw gegen Radfahrer — „das ist eine Konstellation, die leider immer wieder tödlich endet“.

Die Staatsanwaltschaft hat einen Sachverständigen beauftragt. Er soll herausfinden, wie und wo der Lkw das Rad erfasst hat. „Er muss sich auf den Lkw-Sitz setzen, um zu sehen, welche Sichtmöglichkeiten der Fahrer hatte“, sagt Oberstaatsanwalt Wolfgang Träg. Welche Spiegel hat der Lkw? Wie waren die eingestellt? Es spiele für die Frage des Verschuldensgrades eine Rolle, ob der Lkw-Fahrer die Radfahrerin hätte sehen können oder nicht, fährt Träg fort.

Womöglich war die 44-Jährige genau im toten Winkel, als der Lkw abbog. Das entlastet den Lkw-Fahrer nicht. Im Wissen um den toten Winkel müssen Fahrer besonders sorgfältig agieren. Denn selbst bei sehr geringer Geschwindigkeit führen Zusammenstöße mit abbiegenden Lastwagen häufig zum Tod von Radfahrern. „Da nützt auch ein Helm nichts“, sagt Ott.

Es gab Versuche, die Gefahr im toten Winkel mit zusätzlichen Spiegeln an den Fahrzeugen zu reduzieren. Doch ein Allheilmittel seien Spiegel nicht, meint Ott. Aus Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen sei bekannt, dass Lkw-Fahrer beim Abbiegen häufig damit überfordert seien, alles im Blick zu halten.

Münster als Vorbild?

Es gibt — wie in Münster — auch Versuche, Ampeln mit Spiegeln auszustatten, die den toten Winkel sichtbar machen. Auch im Nürnberger Verkehrsplanungsamt denkt man laut Leiter Frank Jülich darüber nach. Bevor sich die Behörde positioniert, will sie die Münsteraner Erfahrungen auswerten. Er sei hin- und hergerissen, gibt Jülich zu. Denn die Spiegel böten keine hundertprozentige Sicherheit.

Auch der ADFC befürchtet, dass die Spiegel womöglich eine Schein- Sicherheit vorgaukelten. Der FahrradClub fordert deshalb Abbiege- und Bremsassistenten für Lkw. Diese schlagen Alarm, wenn jemand auf der rechten Seite des Lastwagens fährt. Ausgefeilte Systeme bremsen das Fahrzeug sogar automatisch ab. Doch damit sind nur wenige Lkw ausgestattet.

Oberstaatsanwalt Träg befasst sich jedes Jahr mit an die zehn tödlichen Radunfällen im Bereich der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Tödliche Zusammenstöße mit rechts abbiegenden Lkw seien „kein Einzelfall, aber auch nicht der Schwerpunkt der Radfahrunfälle“, sagt er. Genauso kommt es vor, dass Lkw oder Autos vorausfahrende Radfahrer zu spät erkennen und auffahren. Tödlich enden Radfahrunfälle manchmal auch dann, wenn zwei Radfahrer kollidieren oder einer so unglücklich stürzt, dass er sich tödliche Verletzungen zuzieht. Im vergangenen Jahr starb kein Radfahrer im Nürnberger Stadtgebiet. Vor zwei Jahren kamen vier Radfahrer ums Leben.

Unfallverursacher werden häufig wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr verurteilt. Wer nicht vorbestraft ist und nicht betrunken war, kommt in der Regel mit einer Geldstrafe davon. „Von den Angehörigen der Toten wird das selten verstanden und akzeptiert“, sagt Träg. Aber letztlich könne jeder einen derart tragischen Unfall verursachen.

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