Giftstoffe: Nürnberger Polizei-Schießstand geschlossen

19.6.2016, 05:57 Uhr
Polizei-Einsatztrainer Karl-Heinz Nebert in der betagten Schießanlage des Polizeipräsidiums.(Archivbild)

© Horst Linke Polizei-Einsatztrainer Karl-Heinz Nebert in der betagten Schießanlage des Polizeipräsidiums.(Archivbild)

Massive Probleme mit den Lüftungsanlagen, Schadstoffe wie Blei oder das hochgiftige Antimon sowie krebserregende Mineralfasern: Von 73 Schießbahnen der Berliner Polizei wurden mittlerweile 43 dichtgemacht. Bei fast 90 Schießtrainern, SEK-Beamten und Präzisionsschützen sollen gesundheitliche Schädigungen nachgewiesen sein, so ein Zwischenbericht der Internen Revision der Berliner Polizei. Nach einem Bericht der Berliner Morgenpost wurden im Blut von rund zwei Dutzend Beamten Blei sowie um das 60-Fache erhöhte Antimon-Werte festgestellt.

Diese Polizisten, die intensives Waffentraining betreiben, hatten die Blutuntersuchungen in der Berliner Charité auf eigene Kosten initiiert. Zehn Trainer seien an Krebs erkrankt, so das Blatt, zwei Beamte an Krebs gestorben. Die Gifte entstehen beim Schießtraining. Die Berliner Polizei verwendet bleihaltige Munition. Wenn deren Projektile auf ein Hindernis treffen, tritt regelmäßig Blei in geringen Mengen aus. Gehärtet wird dieser Bleianteil in der Produktion mit Hilfe des Halbmetalls Antimon.

Dieses giftige Material ist zudem in den Zünd- und Treibsätzen der Pistolenmunition enthalten und wird beim Abschuss als Gas freigesetzt. Die Gesundheitsgefahren durch Blei sind wissenschaftlich belegt. Die Substanz Antimon hat die Internationale Agentur für Krebsforschung als "möglicherweise krebserzeugende Substanz" eingestuft.

Probleme mit der Lüftung des "Schießkinos"

In Nürnberg ist die Situation augenscheinlich weniger dramatisch. Zwar gibt es seit mehr als einem Jahr Probleme mit der Lüftung des gut 30 Jahre alten "Schießkinos" im Keller des Polizeipräsidiums. Dort muss jeder Beamte – je nach Einsatzbereich – zwischen zwei- und viermal jährlich zum Schießtraining antreten. Doch die Polizeilichen Einsatztrainer (PE-Trainer), die unter anderem den Betrieb der Schießanlage begleiten, sind seit geraumer Zeit mit Messgeräten ausgestattet, berichtet Polizeisprecherin Elke Schönwald auf Anfrage. Käme es zu einer Überschreitung gesetzlicher Grenzwerte, so würden diese Geräte Alarm auslösen, und der Betrieb würde gestoppt.

Parallel dazu wurden wegen der Lüftungsprobleme bereits 2015 verlängerte Pausenzeiten für die PE-Trainer eingeführt. Die Maßnahme erfolgte in Abstimmung mit dem Personalrat des Polizeipräsidiums, so Schönwald. Mit solchen Behelfsmaßnahmen ist nun allerdings Schluss. Am Mittwoch dieser Woche wurde die Schießanlage bis auf weiteres stillgelegt. Die Vorgänge in Berlin seien der Auslöser gewesen – gepaart mit der Tatsache, dass erstmals ein Zusammenhang zwischen Emissionen im Schießstand und Erkrankungen nachgewiesen wurde. In Nürnberg handele es sich aber um eine reine Vorsorgemaßnahme.

So hat das Polizeipräsidium ein Gutachten in Auftrag gegeben, das mögliche Gesundheitsgefahren durch den Schießbetrieb in der betagten Anlage feststellen – oder eben ausschließen – soll. Auch die PE-Trainer sollen befragt werden. Bislang habe kein einziger dieser Beamten über gesundheitliche Beeinträchtigungen geklagt, erklärt Schönwald.

Komplett neue Anlage kann die Probleme lösen

Das bayerische Innenministerium betont derweil, dass bereits seit August 2000 für das Schießtraining spezielle Munition verwendet werde. Dabei handele es sich um zertifizierte, "schadstoffreduzierte" Patronen, deren Bleikern-Projektil von einem Vollmantel eingeschlossen sei. In Schießanlagen mit einem sogenannten weichen Geschossfang werde der Bleianteil eines Projektils "in aller Regel nicht freigesetzt". Anzünd- und Treibsätze aller verwendeten Munitionsarten seien komplett bleifrei. Zum Antimon-Anteil in den Zündsätzen trifft die schriftliche Stellungnahme des Ministeriums keine Aussage.

Eine komplett neue Schießanlage könnte die Probleme im Polizeipräsidium lösen, wie das Beispiel der Bereitschaftspolizei an der Kornburger Straße zeigt. Die Schießanlage dort wurde als Neubau 2010 wiedereröffnet. Eine hochmoderne Kolbenstrom-Lüftung sorgt seither dafür, dass Frischluft am vorderen Ende der Schießbahn eingeblasen und am hinteren Ende im Bereich des Geschossfangs, wieder abgesaugt wird. Die Gifte, die beim Schießtraining aus den Waffen austreten, zieht der Luftstrom daher von den Beamten weg.

Darüber hinaus verwendet die Bereitschaftspolizei generell keine bleihaltigen Patronen. Vielmehr kommt Tombak-Vollmantelmunition aus einer Kupfer-Eisen-Legierung oder Munition aus einer Messinglegierung zum Einsatz. Auch die Zündsätze dieser Patronen enthalten Antimon. Deshalb werden die Schießbahnen nach jedem Training abgesaugt und wöchentlich nass gewischt. In Berlin ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen schwerer Körperverletzung im Amt: Im Polizeipräsidium verschwanden Gutachten, die bereits vor Jahren über die Giftbelastung berichtet hatten.

4 Kommentare