Ist Nürnberg wirklich so hässlich?

16.8.2006, 00:00 Uhr
Ist Nürnberg wirklich so hässlich?

Fast Food im NS-Bau

Ganz schön frech, doch es wird noch bunter: Vom schönen Kettensteg etwa lässt sich der Fotograf mit dem Kennerblick für’s Hässliche nicht von seinem Ziel ablenken - er entdeckt eine alte Mülltonne, die in der trüben Pegnitz treibt. Triste U-Bahn-Haltestellen und lieblose Funktionsbauten dürfen auf dieser Internet-Seite nicht fehlen, und der Quelleturm kommt zu ungeahnten Ehren. Ein gefundenes Fressen für das Lästermaul: Das vom NS-Architekten Albert Speer entworfene Trafo-Haus in der Regensburger Straße, an dessen grauer Steinfassade seit kurzem knallrote Plastik-Lettern von «Burger King“ prangen. Fast Food im NS-Bau? Das hat einen merkwürdigen Beigeschmack, zumal auf der Seite des Hauses noch der Schatten eines Adlers erkennbar ist.

Was treibt Dirk Murschall an, immer ausgerechnet auf die Schattenseiten der Stadt zu blicken? «Das Schöne knipsen ja alle“, sagt der 28-jährige Computerfachmann lachend. «Ich habe schon Spaß am Destruktiven“, gibt er zu. Deshalb war er auch öfters in trostlosen Regionen Ostdeutschlands auf Fotosafari: Um dort verfallene Werkshallen und abbruchreife Häuser abzulichten. «Das hat auch einen gewissen Charme“, findet Dirk Murschall, der seine skurrile Internetseite unter dem Künstlernamen Sugar Ray Banister betreibt. Der Webmaster eines großen Technikkonzerns ist in seiner Freizeit öfters in der Nürnberger Kleinkunstszene anzutreffen, etwa als DJ oder als Mitveranstalter von Filmvorführungen. Die Internet-Seite mit den seltsamen Fotos ist ebenfalls ein reines Freizeitvergnügen von ihm. Ein ungewöhnliches Hobby!

Neben der Freude an sehr speziellen Stadtansichten geht es ihm aber auch darum, den Finger in die eine oder andere Wunde zu legen. «Nürnberg ist stellenweise schon unansehnlich“, meint er: Für eine Stadt dieser Größe wirken manche Straßenzüge seiner Ansicht nach «billig“, und der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg «wurde in anderen Städten besser gelöst.“

Zu viele Gebäude seien rein funktional und völlig schnörkellos, außerdem findet er, dass Nürnberg teilweise einfach zu eng bebaut ist. «Aber das ist eben Geschmackssache, andere mögen’s so gemütlich.“ Die Altstadt jedoch, das muss er zugeben, ist doch sehr schön anzuschauen. Na also, geht doch! Aber nein, mit Genuss sucht Murschall schon wieder nach Haaren in der Suppe: «Auch dort gibt es hässliche Ecken. Und die will ich finden!“, sagt er lachend.

Bei allem Augenzwinkern: Dirk Murschall ist wirklich kein großer Nürnberg-Fan. «Man kann hier schon leben, aber es gibt schönere Städte.“ Das klingt verräterisch, und tatsächlich: Der gute Mann ist ein Zugereister. «Ich wurde von meiner Firma 2002 nach Nürnberg strafversetzt“, scherzt er. Aus Hannover kommt er, und kaum zu glauben: Dort gefällt’s ihm besser! «Doch, Hannover ist hübscher als Nürnberg. Zumindest seit der Expo.“ Nun, wie schon eingangs erwähnt: Dirk Murschall hat wirklich einen ganz eigenen Humor.

Mit der fränkischen Wesensart hat er sich nach seinem Umzug natürlich auch schwer getan, aber mittlerweile ist er ganz gut integriert: «Inzwischen habe ich auch hier Freunde gefunden.“ Es gibt eben auch im schönen Nürnberg etliche Leute, die einen Sinn für schrägen Humor haben.

Erik Stecher

Keine Kommentare