Krise in Nürnbergs Altenheimen: Das Leiden der Senioren

20.6.2017, 05:57 Uhr
Pflegeheime sind in großer Not, die Bilanz der Heimaufsicht niederschmetternd.

© dpa Pflegeheime sind in großer Not, die Bilanz der Heimaufsicht niederschmetternd.

Austrocknung, unsaubere Toilettenstühle, schlechte Behandlung von Schmerzen oder Druckgeschwüren, zu wenig Sozialbetreuung. Zum dritten Mal in Folge hat der neue Jahresbericht der Nürnberger Heimaufsicht eine hohe Zahl von teils gesundheitsgefährdenden Verstößen gegen Pflegestandards an den Tag gebracht. "Die Lage ist wirklich kritisch", sagte Gesundheitsamtsleiter Fred-Jürgen Beier. Schuld sei eindeutig der Mangel an qualifiziertem Altenpflegepersonal.

Die Heimaufsicht (FQA) im städtischen Gesundheitsamt überwacht im staatlichen Auftrag alle 104 Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe in Nürnberg, mit insgesamt fast 7000 Plätzen. Fällt ein Mangel auf, entscheiden sich die FQA-Mitarbeiter je nach Schwere für Beratung oder Anweisungen mit Nachkontrollen. In gravierenden Fällen drohen sie Zwangsgelder an oder verhängen einen Aufnahmestopp. Zum Aufnahmestopp kam es 2016 in sieben Fällen. Allerdings konnten 44 Einrichtungen wegen Personalknappheit gar nicht überprüft werden.

"Pflegeheime in großer Not"

Bei 119 Prüfungen des Jahres 2016 stellten die Kontrollteams 83-mal Mängel fest. 59 Mängel, doppelt so viele wie im Vorjahr, galten dabei als erheblich. Drei Todesfälle führte die FQA auf einen solchen Pflegemangel zurück. Ob eines der 59 Pflegeheime gut oder schlecht abschnitt, hing weder vom Preis ab noch davon, ob es privat, kirchlich oder kommunal betrieben wird. Fast jedes dritte überprüfte Heim unterschritt den vorgeschriebenen Anteil an Fachkräften. Ambulante Pflege-Wohngruppen und Behinderteneinrichtungen zeigten weniger Probleme.

"Wir stellen fest, dass die Pflegeheime in großer Not sind", sagte Nürnbergs Gesundheitsreferent Peter Pluschke. Die Nachlässigkeiten geschähen nicht willentlich, sondern als Folge des Pflegekräftemangels. "Der Pflegesektor muss sich in den nächsten Jahren neu strukturieren, um die gesetzlichen Anforderungen und den humanitären Anspruch zu erfüllen." Hinter den Pflegemissständen steht auch aus Sicht Beiers eine "gesellschaftspolitische Frage".

Öffentlichkeit darf Ergebnisse nicht erfahren

Für Verbesserungen wäre es nötig, dass sich die Gesellschaft für Investitionen in die Pflege entscheide."Die Leute müssen sich politisch engagieren."Solange fordern Pluschke und Beier eine Aufstockung der Heimaufsicht um zwei Vollzeitstellen. Die Abteilung ist überlastet, kann den vorgeschriebenen jährlichen Kontrollturnus seit Jahren nicht einhalten. Am Donnerstag debattiert der Gesundheitsausschuss des Stadtrats darüber.

Welches Nürnberger Heim gut oder schlecht abschneidet, darf die Öffentlichkeit wegen rechtlicher Hindernisse nicht erfahren. Heime dürften die Prüfberichte höchstens freiwillig veröffentlichen. Hier lasse das bayerische Gesundheitsministerium mit einer Lösung auf sich warten, kritisiert Pluschke.

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