Mit Kindern in den Dschihad: Nürnberger IS-Mutter vor Gericht

16.7.2017, 05:58 Uhr
Mit Kindern in den Dschihad: Nürnberger IS-Mutter vor Gericht

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Lebte in der Nürnberger Südstadt eine Deutsche, die sich radikalisierte und die Terrormiliz Isis so sehr unterstützen wollte, dass sie sogar ihre vier Kinder im Alter von drei bis neun Jahren in den Bürgerkrieg nach Syrien schleppte?

Was ging im September 2014 in ihrem Kopf vor? Die Frau, 1976 in Dresden geboren, reiste damals mit ihren Kindern in die Türkei. Sie ließ sich zu den Terroristen des selbst ernannten Islamischen Staates schließlich in den Norden Syriens, in das Gebiet der Al-Nusra-Front, schmuggeln. Und sie schilderte ihren Trip angeblich in einem Interview mit arabischen Medien. Dabei prahlte sie angeblich, sich an Kampfhandlungen beteiligt zu haben. Ihre älteste Tochter soll durch eine Gewehrkugel sehr schwer verletzt worden sein.

Der hiesigen Staatsanwaltschaft reichte das für einen Anfangsverdacht, gegen die Frau wurde ermittelt. Am Donnerstag muss sie sich, wie Justizsprecher Friedrich Weitner auf Nachfrage der Lokalredaktion bestätigt, vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Nürnberg verantworten.

Von Polizei festgenommen

Damit kein Missverständnis entsteht: Das Verfahren dreht sich nicht um einen Terror-Verdacht gegen die Frau, vielmehr wird ihr Entziehung Minderjähriger vorgeworfen. Denn für drei der vier Kinder hat sie das gemeinsame Sorgerecht mit dem Vater der Kinder.

Die Suche nach seinen Kindern trieb den Mann in jenen Tagen ebenfalls in die Türkei. Er nahm Kontakt zu seiner Frau auf, die Kinder wurden - auf welchen Wegen, ist bislang offen - zu ihm zurückgeschmuggelt. Fest steht: Als die Frau im November 2016 wieder in Frankfurt einreiste, wurde sie von Bundespolizisten festgenommen. Sie hatte gegen sie verhängte Geldstrafen - unter anderem wegen Diebstahls und Betrugs - nicht bezahlt. In der Folge musste sie dafür Ersatzfreiheitsstrafen in der Justizvollzugsanstalt absitzen.

Kinder den Schrecken des Krieges ausgesetzt

Viel Vorstellungsvermögen ist nicht nötig, um sich die quälenden Sorgen des Kindsvaters vorzustellen: Millionen Kinder sind mittlerweile auf der Flucht vor dem blutigen Bürgerkrieg in Syrien. Die Uno nennt die Zahl einen "Meilenstein der Schande". Hier soll eine Mutter ihre Kleinkinder bewusst in ein Land gebracht haben, in dem ein Krieg geführt wird, in dem nicht zwischen bewaffneten Kämpfern und unschuldigen Zivilisten unterschieden wird?

Die Frau, so wirft ihr die Anklage vor, setzte ihre Kinder den Schrecken und Gefahren des Krieges aus. Dies deutet darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft die Tat als Verbrechen wertet.

Die Entziehung Minderjähriger, geregelt in Paragraf 235 des Strafgesetzbuches, sieht Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor, wenn ein Kind oder Jugendlicher unter 18 Jahren durch Gewalt, Drohung oder List den Eltern oder einem Elternteil vorenthalten wird. Bestraft wird auch, wer, etwa einem anderen Elternteil, das Kind entzieht, um es ins Ausland zu bringen. So kommt es beispielsweise nach Scheidungen immer wieder dazu, dass einer der Ehepartner die Kinder zu seinen Verwandten ins Ausland schafft. Hier ist übrigens bereits der Versuch strafbar.

Deutlich höher ist der Strafrahmen - nämlich zwischen einem und bis zu zehn Jahren -, wenn der Täter das Opfer "in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung" bringt. Gemeint ist damit nicht, dass Eltern ihren Kleinkindern keine Urlaubsreisen in die Tropen zumuten dürfen. Mit ärztlicher Vorsorge ist unter Umständen auch eine lange Flugreise, die Hitze und das ungewohnte Essen zumutbar. Die Frage, die das Schöffengericht zu klären hat, ist vielmehr, ob die körperliche und die seelische Entwicklung der Kinder Schaden nahm, die Angeklagte ihre Kinder in Lebensgefahr gebracht hat.

Terror-Verdacht besteht

Der Terror-Verdacht beschäftigt die Behörden gesondert: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, so bestätigt die Sprecherin der Behörde, Oberstaatsanwältin Anita Traud, hatte bereits 2014 gegen die Frau ermittelt. Es stand der Verdacht im Raum, dass sie eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet. Die Frau bestreitet, sich einer Terrorgruppe angeschlossen zu haben. Im März 2017 gab die hiesige Staatsanwaltschaft das Verfahren an den Generalbundesanwalt weiter, mittlerweile liegt es bei der Generalstaatsanwaltschaft in München.

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