Schon vier vergiftete Hunde in Nürnberg?

1.6.2013, 06:57 Uhr
Die Hundehalter in Nürnberg sind in Sorge: Immer öfter finden sie potenzielle Giftköder am Wegrand oder im Gebüsch.

© dpa Die Hundehalter in Nürnberg sind in Sorge: Immer öfter finden sie potenzielle Giftköder am Wegrand oder im Gebüsch.

Nein, Iris Krisch meidet keine Wiese, keinen Weg, keine Straße. Sie geht dort mit ihrem Hund Gassi, wo sich Lilly, ihr Jack-Russell-Riesenschnauzer, wohlfühlt. Sie lässt sich nicht vertreiben durch die, die richtiggehend Jagd auf Hunde machen. Mit vergifteten Ködern. Diese tauchen in Nürnberg immer öfter auf. Das sagt nicht nur Iris Krisch, sondern viele Mitglieder der Facebook-Gruppe „Giftköder Nürnberg und Umland“.

Dort wird auch gestern ein Bild von ein paar Essensresten, die ein Mitglied zuvor beim Gassigehen am Wegrand entdeckt hat, gepostet. Ungewöhnlich ist, dass Nudel- und Fleischreste wie drapiert wirken. Den Eindruck hat der junge Mann auch. Er liefert den möglichen Giftköder bei der Polizei ab. Es ist der siebte Fund, der in den vergangenen Wochen hier landet, sagt Polizeisprecher Bert Rauenbusch. Aber: Eine Untersuchung der Funde wird nicht durchgeführt, solange kein dringender Tatverdacht besteht.

Verdächtiges abliefern

Anders beim Fall in Erlenstegen vor wenigen Wochen: Dort konnte ein Halter seinem Hund noch rechtzeitig ein Stück Leberwurst entreißen, das dieser im Gebüsch gefunden hatte. Im Inneren der Wurst fand der Hundebesitzer die Klinge eines Tapeziermessers. „Die Ermittlungen waren aber ohne Ergebnis.“ Auch wenn die Polizei keine Analyse vornehmen kann, animiert der Polizeisprecher die Hundehalter, weiter alles Verdächtige abzuliefern. „Dann ist das zumindest weg.“

Auch deshalb hat Iris Krisch die Online-Gruppe gegründet: um zu warnen. Allerdings hat sie „vielleicht mit 20 Anhängern gerechnet“. Inzwischen gehören ihrer Facebook-Gruppe über 1500 Hundebesitzer an. Grund für die rege Teilnahme sind „die Sorge und Ängste, ein Familienmitglied qualvoll sterben zu sehen“, sagt Krisch.

Dass diese Angst nicht unbegründet ist, bestätigt Gudrun Hagmayer von der Tierklinik am Nordring. „In den letzten zwei Monaten hatten wir sieben Giftköder-Verdachtsfälle“, sagt die Tierärztin, die Hunde kommen aus verschiedenen Stadtteilen. Nürnbergweit ist insgesamt die Rede von vier toten Hunden, die entsprechende Anzeichen vorgewiesen haben.

Das Problem der Veterinärin: Mehr als einen Verdacht kann sie ohne Gift-Nachweis nicht äußern. Auch wenn sich Hagmayer ihrer Sache sicher ist: „Die Anzeichen, etwa plötzlicher starker Brechdurchfall, durch den der Hund innerhalb von wenigen Stunden austrocknet, sprechen für eine Vergiftung.“ Das gilt auch für die Blutwerte. Zudem habe es sich in allen Fällen nicht um alte Hunde, sondern um noch fitte Vierbeiner gehandelt.

Absolute Gewissheit liefert trotzdem nur der Gift-Nachweis — und der kostet. Und zwar nicht nur 1000 Euro, die der Hundehalter bezahlen muss. Der tote Hund müsste außerdem obduziert werden, was viele Besitzer nicht wollen. „Die meisten möchten ihren Hund begraben, wie er ist.“

Damit es gar nicht erst so weit kommen muss, ist die Gruppe um Iris Krisch sehr aktiv. 90000 Flyer wurden bereits in Umlauf gebracht. „Vorsicht Giftköder“ ist dort groß zu lesen, begleitet von einem Totenkopf, dazu ein Hinweis, was jemand tun muss, der etwas Verdächtiges findet. 40000 Flyer haben die Hundefreunde von einer unterstützenden Firma einwerfen lassen, „der Rest wird legal ausgelegt oder beim Gassigehen verteilt“.

Die Gefahr im Busch

Dabei belassen es die Tierfreunde nicht. Sie haben bereits Präventions-Kurse für 50 Hundebesitzer gehalten. Dort haben Hund, Herrchen und Frauchen gelernt, dass die Gefahr vor allem in Büschen lauert. Und: „Wir haben dazu aufgerufen, dass Halter ihre Hunde beim Tierarzt angeben — als Blutspender.“ Tatsächlich hilft bei einer Vergiftung eine Bluttransfusion, „in den ersten Stunden aber wirkt ein Brechmittel noch besser“, sagt Tierärztin Hagmeyer. Sie rät, sofort den Veterinär aufzusuchen, wenn ein Hund Anzeichen zeigt, beispielsweise eine ungewöhnliche Müdigkeit.

Denn: Dass es Hundehasser in Nürnberg gibt, darauf deutet mehr als ausgelegte Köder hin. Zum Beispiel Kritzeleien, die Schilder in der Nähe von Wiesen zieren. „Hunde tot“ steht dort. Oder: „Hunde sterbt!!“

Iris Krisch stellt aber klar: „Nicht jeder, der keine Hunde mag, ist ein Hundehasser.“ Sie wünscht sich aber vor allem eines: „Gegenseitigen Respekt.“ Und dass dazu auch der Hundebesitzer beitragen muss. Der Versuch aber, „einer Familie ein vollwertiges Mitglied zu entreißen oder Älteren eine Stütze oder Hilfe“, stimmt sie traurig. Und spornt sie an, aktiv zu bleiben.

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