Unwirtschaftlich: Post reduziert Nachtleerungen radikal

30.5.2018, 05:31 Uhr
Wer einen eiligen Brief aufgibt, muss das in der Innenstadt in der Regel bis 17 Uhr tun.

© Horst Linke Wer einen eiligen Brief aufgibt, muss das in der Innenstadt in der Regel bis 17 Uhr tun.

Das hat ihn kalt erwischt: Früher, schreibt Oliver Lang, habe es in der Schillerstraße/Rollnerstraße eine späte Leerung um 20.30 Uhr gegeben, am Hauptbahnhof eine um 21.15 Uhr. Seit kurzem werde der Briefkasten in der Schillerstraße bereits um 18.15 Uhr geleert, am Bahnhof schon um 19 Uhr. "Ein Unding", schimpft Lang, der als Leiter einer Versicherungsagentur in der Altstadt mit einer schnellen Zustellung der Unterlagen punkten möchte. "Guter Service zeichnet sich auch durch eine schnelle Reaktion aus", erklärt Lang und schimpft: "Wenn der Weg von der Inneren Laufer Gasse zum Briefkasten hin und zurück 20 Kilometer ist, können wir die Post in Nürnberg gleich persönlich zustellen."

Post-Pressesprecher Erwin Nier bestätigt auf Anfrage, dass es nur noch eine Nachtleerung in Nürnberg gibt. Lediglich am Standort Beuthener Straße/Gleiwitzer Straße wird der Briefkasten unter der Woche noch um 20 und um 22 Uhr geleert. Der Standort am Briefzentrum in Langwasser sei schon immer am stärksten frequentiert worden. "Es scheint den Kunden also doch nicht zu umständlich zu sein, dort hinzufahren, wenn es pressiert. Ganz egal, wie weit entfernt es ist", sagt Nier.

Umstellung aus wirtschaftlichen Gründen

350 Briefkästen sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Sieben von ihnen waren bis Ende März für die Nachtleerung vorgesehen. "Nachdem wir über Monate hinweg sowohl die Spät- als auch die Nachtleerungen in der Innenstadt genau beobachtet haben, haben wir feststellen müssen, dass dort immer weniger Sendungen eingeliefert worden sind", sagt Nier. Betriebswirtschaftliche Gründe hätten zu der Umstellung geführt.

Lang kann sich mit diesem radikalen Schritt nicht abfinden. "Es sollte zumindest in jedem Stadtteil eine Anlaufstelle geben", fordert er. Außerdem ärgert ihn, dass es keine Vorwarnung gab. "Dann hätte es einen Aufschrei gegeben", ist er überzeugt.

59 Millionen Sendungen pro Tag

59 Millionen Briefsendungen werden in Deutschland pro Werktag verschickt. Etwa 95 Prozent landen laut Nier am nächsten Tag im gewünschten Briefkasten. In der Nürnberger Innenstadt werden die Briefkästen unter der Woche in der Regel zwischen 17 und 18 Uhr geleert, in der Peripherie schon nachmittags zwischen 14 und 16 Uhr. Rund zwei bis zweieinhalb Stunden dauert eine Tour laut Nier. 30 davon werden täglich von Montag bis Freitag gefahren, sechs sind es am Samstag, eine am Sonntag.

Bei sogenannten Füllgradmessungen überprüfen die Kastenleerer laut Nier stichprobenartig, wie viele Briefe enthalten sind: "Wenn man sieht, dass wir für eine oder zwei Handvoll Briefe nachts noch mal drei, vier oder zehn Touren fahren sollen, steht das in keinem Verhältnis zu dem, was es tatsächlich bringt." Zumal sich darunter zu 90 bis 95 Prozent Privatpost befindet. "Man muss uns schon zubilligen, dass man so eine Leerung vernünftig plant."

Alles, was nach 18, 19 oder 20 Uhr eingeliefert wird, erwischt laut Nier gerade noch so den Fernverkehr: "Was nach 21 Uhr in den Kasten geht, erreicht Hamburg am nächsten Tag fast nicht mehr. Da müsste alles gut laufen." Kommt die Fracht um vier Uhr morgens in Hamburg an, wird sie direkt bearbeitet. Ist es nach halb sechs, "dann ist die Fahrt tot", erklärt Nier. Die Briefe würden also erst am folgenden Tag zugestellt.

Umstellung schon vor etwa sieben Wochen

Besser sieht es dagegen in der direkten Umgebung aus. Briefe, die an 90er- und und 91er-Postleitzahlen adressiert sind, erreichen ihr Ziel laut Nier auch dann am nächsten Tag, wenn sie bis 22 Uhr im Briefkasten in Langwasser eingeworfen sind. "Aber nach Hamburg, Frankfurt, Berlin oder München ist das dann nicht mehr zu bewerkstelligen."

Der Sprecher hat Verständnis für Langs Ärger, betont aber, es nicht jedem recht machen zu können. Bisher habe sich allerdings auch nur ein Kunde aus Erlangen gemeldet. Dessen "Individualschmerz", wie es Nier formuliert, konnte aber gelindert werden, da es noch einen weiteren Briefkasten ganz in seiner Nähe gibt. Abgesehen davon seien die Umstellungen der Spät- und Nachtleerungen vor etwa sieben Wochen kein Thema gewesen.

Hier erfahren Sie, wo der nächste Briefkasten ganz in Ihrer Nähe ist.

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