„Man soll uns sehen“: Selbsthilfebörse am Rother Marktplatz

31.5.2012, 08:17 Uhr
„Man soll uns sehen“: Selbsthilfebörse am Rother Marktplatz

© Schmitt

Ein ganz konkretes Ergebnis hatte die Selbsthilfebörse schon vor ihrem eigentlichen Beginn. „Ich habe eine Broschüre mitgenommen und werde mir ernsthaft überlegen, künftig einen Organspenderausweis mitzuführen“, sagte die ehemalige Schwabacher Bürgermeisterin Rosy Stengel (CSU) in ihrem Grußwort. Sie hatte sich zuvor am Stand der Lebertransplantierten überzeugen lassen. „Ohne Organspende würden wir heute nicht hier stehen“, haben Renate Klier aus Schwand und Jürgen Glaser aus Roth geschildert.

Erstmals haben 14 Selbsthilfegruppen aus dem Landkreis Roth und der Stadt Schwabach auf dem Rother Marktplatz über ihre Arbeit informiert. Bis 2010 hatte der Info-Basar unter Federführung des Gesundheitsamtes 15 Mal in der Kulturfabrik stattgefunden. Auf Rat der seit einem Jahr in Roth bestehenden „Kontakt- und Informationsstelle Selbsthilfe“ (KISS) entschieden sich die Organisationen für den neuen Standort.

Im Wechsel mit Schwabach?

„Die Gruppen haben selbstbewusst gesagt: Man soll uns sehen“, schilderte Kiss-Chefin Daniela Stenglin die Beweggründe. Für sehr wahrscheinlich hält es die Sozialpädagogin, dass die Börse künftig jährlich wechselnd auch in Schwabach stattfindet. „Darüber werden wir in der Nachbesprechung diskutieren“, erklärte sie.

Für die Organspende war der Samstag ein fast historisches Datum. Schließlich hatte der Bundestag just tags zuvor ein neues Gesetz dazu beschlossen. Den Experten am Infostand geht es allerdings nicht weit genug. „Die Widerspruchslösung wäre des bessere Weg“, findet Renate Klier. Denn trotz des nun vorgeschriebenen Anschreibens durch die Krankenkassen müssen Bürgerinnen und Bürger ihre Spendereigenschaft nach wie vor positiv dokumentieren. Bei der „Widerspruchslösung“ hingegen hätte jeder als Organspender gegolten, der sich nicht aktiv dagegen ausgesprochen hat.

Dennoch begrüßen die Lebertransplantierten die Berliner Entscheidung. „Jetzt brauchen wir Info-Kampagnen, damit jeder weiß, wie mit Spenderorganen umgegangen wird“, forderten Klier und Glaser als nächsten Schritt.

Drei von vier Deutschen sagen in Umfragen, sie würden ihre Organe nach dem Tod spenden. Doch nur einer von vieren hat einen Organspende-Ausweis. Zugleich stirbt in Deutschland im Durchschnitt alle acht Stunden ein Mensch, dem ein Spenderorgan womöglich das Leben gerettet hätte, der aber keines bekommt, weil es zu wenige gibt.

Klaus Wittmann aus Roth steht gleich gegenüber. Der 42-Jährige leidet an „Morbus Bechterew“, einer rheumatischen Erkrankung mit Schmerzen und Versteifung von Gelenken. „Ich habe 18 Schrauben in der Wirbelsäule“, erzählt er. 36 Mitglieder hat die Selbsthilfegruppe gegenwärtig, die er vor zehn Jahren mitgegründet hat. Regional umfasst sie auch den Landkreis Weißenburg und ist „vor allem eine Therapiegruppe“, wie Wittmann betont.

„Ich komme zurecht“

„Eher für Gespräche“ stehen die Leidensgenossen in einer anderen Gruppe zur Verfügung, die Wittmann vor 14 Jahren ebenfalls ins Leben gerufen hat. Denn er leidet auch an „Multipler Sklerose“. Das hindert ihn nicht, seine Bewegungsfähigkeit mit täglich mindestens einer Stunde intensiver Gymnastik aufrechtzuerhalten. Trotz seines Schicksals wirkt er im Gespräch humorvoll und optimistisch. „Ich komme zurecht“, sagt er ohne jede Bitterkeit.

Grußworte sprachen zum Auftakt der Börse auch Landrat Herbert Eckstein (SPD) und Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer (CSU). Beide betonten die große Bedeutung des Selbsthilfegedankens für die Gesundheitsversorgung im Landkreis.

„Versteckt Euch nicht, sondern gebt Eure Erfahrungen weiter, denn das hilft“, ermunterte Herbert Eckstein die Gruppenmitglieder. „In einer Zeit, in der alle immer mehr auf sich selbst bezogen sind“, fügte Ralph Edelhäußer hinzu, „brauchen wir Menschen wie Sie, die ein sinnvolles Gespräch anbieten können.“

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