Wie Willi Müller vom DFB-Pokalspiel in Darmstadt erfuhr

3.12.2013, 10:40 Uhr
Wie Willi Müller vom DFB-Pokalspiel in Darmstadt erfuhr

Rund 500 Fans aus Abenberg machten sich auf, um die DJK in der 1. DFB-Pokal-Hauptrunde beim SV Darmstadt 98 zu unterstützen. Den 4:1-Erfolg des Bundesligisten konnten Trainer Willi Müller und sein Team nicht verhindern. Die Bilder von damals haben sich aber in den Köpfen eingeprägt.

Ahnungslos an der Adria

Mit seiner Familie machte Willi Müller in der ersten August-Woche 1978 Urlaub in Jesolo an der italienischen Adria, als er durch einen Artikel in der Bild-Zeitung regelrecht aufgeschreckt wurde. In diesem erfuhr er von der Auslosung der 1. DFB-Pokal-Hauptrunde, für die sich die DJK Abenberg überraschend hatte qualifizieren können. Es war ein schweres Los für den Bezirksligisten, ein Auswärtsspiel beim Bundesligisten SV Darmstadt 98. Doch es hätte auch der FC Bayern München sein können — sportlich hätte Willi Müller jeden Gegner akzeptiert. Was den Abenberger Trainer allerdings absolut aus der Reserve gelockt hatte, war der Termin: Anpfiff am Samstag, 5. August, um 15.30 Uhr, im Stadion am Böllenfalltor. Wie sollte das denn gehen? Schließlich war er ja noch mit seiner Familie in Jesolo.

Nach nur drei Tagen Dolce Vita in Italien war es vorbei mit der Ruhe. Koffer zusammenpacken, ab ins Auto — und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zurück nach Deutschland. In Abenberg wartete quasi schon der Bus, der die Mannschaft und den Trainer nach Darmstadt kutschieren sollte. Begleitet wurde der Bezirksligist — wie eingangs bereits erwähnt — von 500 Fans, die das bislang attraktivste Spiel der DJK Abenberg in der Vereinsgeschichte verfolgen wollten.

Taktische Finessen

Der inzwischen 77-jährige Schwabacher erinnert sich noch sehr gut an dieses DFB-Pokalspiel — auch sportlich hatte der Bezirksligist vor rund 2300 Zuschauern trotz der 1:4-Niederlage durchaus Eindruck hinterlassen. In der zweiten Halbzeit hatten die Abenberger dem Erstligisten sogar ein 1:1 abgetrotzt. Wenn nur nicht die ärgerliche erste Halbzeit gewesen wäre, nach der die Darmstädter durch Tore von Weber (14.), Cestonaro (35.) und Kleppinger (42.) eine sichere 3:0-Führung herausgeschossen hatten. Zwar verkürzte Günter Habermann in der 75. Minute auf 1:3, aber Weber sorgte zehn Minuten vor Schluss für den Endstand.

Durchaus achtbar habe man sich aus der Affäre gezogen, erinnerte sich Willi Müller. „Obwohl wir auswärts spielen mussten“, fügte der 77-Jährige hinzu. Heutzutage wäre es undenkbar, dass ein Amateurverein im DFB-Pokal bei einem Proficlub antreten müsse.

Selbst taktisch habe man Akzente setzen können. Müller zog den an diesem Tag überragenden Kurt Weitzel zurück in die Defensive und ließ mit einer Art Viererabwehrkette spielen. Und das immerhin schon 20 Jahre bevor Ralf Rangnick, Trainer des SSV Ulm, in seinem legendären Auftritt im aktuellen Sportstudio die neue taktische Revolution als Erfolgsrezept der Öffentlichkeit vorstellte.

Mit dieser Spielweise bereitete man dem SV Darmstadt 98 in der zweiten Halbzeit große Schwierigkeiten. In Abwesenheit von Chefcoach Lothar Buchmann, der den ersten Bundesliga-Gegner der „Lilien“, Hertha BSC, beobachtete, schimpfte Co-Trainer Klaus Schlappner in der Pressekonferenz: „So verderben wir es uns mit den Fans.“ Der SV Darmstadt 98 war für „Schlappi“ die erste Bewährungsprobe im großen Bundesliga-Geschäft, ehe er 1980 den SV Waldhof Mannheim als Cheftrainer übernahm und mit diesem 1983 den Aufstieg in die 1. Bundesliga schaffte.

Keine Zeit mehr für Urlaub

Sein damaliger Pendant auf Abenberger Seite, Willi Müller, indes blieb dem Amateurfußball treu. Zeit, um nach dem legendären Italien-Urlaub 1978 einen neuen Versuch zu wagen, blieb ihm allerdings nicht. Aber nicht, weil ihm seine Familie die plötzliche Abreise nicht verziehen hätte, sondern weil ihn der Fußball nicht mehr los ließ. Als Trainer der mittelfränkischen Bezirksauswahlmannschaften von der C-Jugend bis hinauf zur Vollmannschaft war er fortan auf die Schulferien angewiesen, um mit den nominierten Talenten bei Sichtungslehrgängen zu arbeiten.

30 Jahre lang betreute er diese Auswahlteams zusätzlich zu seiner Arbeit in zahlreichen Vereinen. Bei der DJK Abenberg blieb er nach dem Auftritt im DFB-Pokal noch ein Jahr. Die Mannschaft führte er in der Saison 1978/79 zur Meisterschaft in der Bezirksliga Süd. Das Endspiel gegen den Meister der Bezirksliga Nord um den Direktaufstieg in die Landesliga verloren die Abenberger dann in Langenzenn von 2000 Zuschauern gegen Jahn Forchheim durch ein Gegentor in der 117. Minute mit 0:1.

Zwei Hochzeiten

Auch in der anschließenden Relegation war den Burgstädtern das Glück nicht hold. Zwar gewann man in Pommelsbrunn noch gegen Post-Süd Regensburg mit 4:1, aber das alles entscheidende Spiel gegen SpVgg Landshut ging vor 5000 (!) Fans in Kelheim mit 1:2 verloren. Danach trennten sich die Wege von Willi Müller und der DJK Abenberg. Beim Verein nahm man es dem Coach offensichtlich übel, dass er parallel zum Engagement in Abenberg den TSV Katzwang 05 in der damaligen B-Klasse betreute.

Während die DJK Abenberg damit ihr erfolgreichstes Kapitel Fußball-Geschichte schließen musste, lernte Willi Müller während seiner weiteren Trainerlaufbahn noch viele Vereine in der Region kennen. Ob SpVgg Fürth II, TSC Neuendettelsau, TuS Feuchtwangen oder 1. SC Schwabach — überall hat er sehr erfolgreich gearbeitet, so dass Willi Müller, als er mit 65 Jahren den letzten Trainerposten niedergelegt hatte, mit berechtigtem Stolz behaupten konnte: „Ich bin als Trainer nie wegen Erfolgslosigkeit entlassen worden.“

Die Aufstellung der DJK Abenberg im Pokalspiel beim Bundesligisten SV Darmstadt 98 im kicker (die besten Spieler wurden gefettet):
DJK Abenberg: Holzschuh — Eckstein, Hofmann, Fuchs, Weitzel — Georg Hallmeyer, Klaus Habermann (67. Göttler), Günter Habermann, Karlheinz Hallmeyer — Reitschuster, Meyer. Trainer: Müller.

Keine Kommentare