Seehofer geht in Sachen Haderthauer auf Distanz

5.8.2014, 17:17 Uhr
Seehofer geht in Sachen Haderthauer auf Distanz

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Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) stellt seine Unterstützung für die unter Betrugsverdacht stehende Staatskanzleichefin Christine Haderthauer unter doppelten Vorbehalt. Der Regierungschef machte ihren Verbleib im Amt am Dienstag nach der Kabinettssitzung in Nürnberg von zwei Faktoren abhängig: dem Ausgang des Ermittlungsverfahrens und eventuellen neuen Enthüllungen. "Wenn etwas Neues auftaucht, was bisher nicht diskutiert wurde von signifikantem Gehalt, dann wäre das ein Umstand, der einer neuen Bewertung zugeführt werden müsste", betonte Seehofer.

Haderthauer selbst versuchte am Vormittag, zum Gegenangriff überzugehen: Sie sprach von "Gerüchten" und "Verleumdungen". "Die Empörungswelle und Skandalhysterie der letzten Wochen werden nach und nach in sich zusammenbrechen", sagte die CSU-Politikerin vor Beginn der Kabinettssitzung. Die Staatsanwaltschaft München II hatte am vergangenen Freitag Ermittlungen gegen Haderthauer eingeleitet, um die Betrugsvorwürfe eines früheren Sapor-Geschäftspartners gegen Haderthauer und ihren Mann aufzuklären.

Modellautos von Dreifachmörder verkauft

Der französische Geschäftsmann Roger Ponton hatte 2011 von Haderthauer und ihrem Mann 20.000 Euro Abfindung für seinen Firmenanteil erhalten und argumentiert nachträglich, dass sein Anteil das Doppelte bis Dreifache wert gewesen wäre. Die Firma verkaufte teure Modellautos, die ein Dreifachmörder in der Psychiatrie hergestellt hatte.

Haderthauer stellte ihre und ihres Mannes frühere Beteiligung an der Firma als wohltätiges Werk dar: Das sei kein fragwürdiges Geschäftsmodell gewesen, sondern ein "von Idealismus getragenes Engagement finanzieller Art". Der Psychiater Norbert Nedopil nahm Hadertauer jüngst in Schutz und zeigte sich begeistert von dieser Art der Therapie für Schwerverbrecher.

SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen spottete anschließend: "Frau Haderthauer glaubt wohl, in Drachenblut gebadet zu haben. Sie fühlt sich unverwundbar, wettert gegen Öffentlichkeit und Justiz, indem sie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen als eine 'Empörungswelle' abkanzelt." Die Freien Wähler hieben in die gleiche Kerbe: "Der Fall Haderthauer hat den Bereich einer 'Skandalhysterie' längst verlassen und ist vielmehr zu einem Empörungs-Tsunami angewachsen, der geeignet ist, die gesamte Staatsregierung in eine Krise zu stürzen", sagte der Parlamentarische Gechäftsführer Florian Streibl.

Verteidigung auf Facebook

Haderthauers Äußerungen vor den Fernsehkameras lösten auch bei manchen Kabinettsmitgliedern keine Begeisterung aus. Seehofer betonte zwar, er habe die Szene nicht gesehen und könne sie nicht bewerten - legte seiner Staatskanzleichefin aber nahe, bei öffentlichen Äußerungen zurückhaltender aufzutreten: "Ich empfehle, da nicht viel drüber zu diskutieren, sondern zur Aufklärung beizutragen." Die Betroffenen bei Ermittlungsverfahren sollten "tunlichst" mit den Staatsanwälten reden. Haderthauer hat sich auch auf Facebook mehrfach ausführlich verteidigt.

 

Zweifel an Haderthauers Darstellung, dass es sich bei Sapor Modelltechnik um ein wohltätiges Werk handelte, weckte ein Bericht des Bayerischen Fernsehens. Demzufolge ging Haderthauers Mann Mitte der 1990er Jahre noch davon aus, dass mit den Autos hohe Umsätze erzielt werden könnten, berichtete der Sender unter Berufung auf einen Brief Dr. Haderthauers. So hätte das Modell eines einzigen Bentley Blower damals für 22.900 Mark verkauft werden sollen, Dr. Haderthauer nannte aber laut Sender in dem Brief insgesamt 100 Modelle.

Gellendes Pfeifkonzert

Zur ersten Kabinettssitzung im neuen Nürnberger Heimatministerium wurde Haderthauer von einem gellenden Pfeifkonzert zweier Demonstrantengruppen von Freisinger Startbahngegnern und in Nürnberg untergebrachten Asylbewerbern begrüßt - die eigentlich gar nicht wegen ihr gekommen waren. Nach der Sitzung verließ die Staatskanzleichefin das Gebäude über den Hinterausgang.

Seehofer ist inzwischen mit dem Vorwurf der Opposition konfrontiert, bei der Protektion seiner Staatskanzleichefin gegen die eigenen Maßstäbe der politischen Hygiene zu verstoßen. Denn Anfang des Jahres hatte Seehofer den Rücktritt des damaligen Bundesagrarministers Hans-Peter Friedrich mit dem Satz kommentiert: "Wenn ein Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren einleitet, kann man nicht gleichzeitig Bundesminister sein."

Die Opposition im bayerischen Landtag will nun wissen, warum das für die Landesministerin Haderthauer nicht gilt. Beide Fälle seien "nicht vergleichbar", sagte Seehofer.

Der Artikel wurde am 5. August um 17.17 Uhr aktualisiert.

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