Zu schade, um weggeworfen zu werden

22.7.2018, 19:25 Uhr
Zu schade, um weggeworfen zu werden

© Foto: Chris Milne

Sogar einen Fan aus dem rund 100 Kilometer entfernten Amberg konnte Michael Küfner schon für seine Überraschungspäckchen mit Schäufele oder Bratwürsten nebst passenden oder manchmal auch weniger passenden Beilagen begeistern. "Der wollte einfach mal die App ausprobieren, ist dann spontan in sein Auto gestiegen und zu mir gefahren", erzählt der Pächter des Schützenhauses Ramsberg, der seit Herbst vergangenen Jahres Vertragspartner von "Too good to go" ist.

Mittlerweile ist dieser reisefreudige Technik-Fan aus der Oberpfalz Stammgast in Küfners Gastronomiebetrieb am Brombachsee. Vor kurzem verknüpfte er die preiswerten kulinarischen Freuden sogar mit einem Kurzurlaub im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen.

So weit geht die Begeisterung natürlich nicht bei jedem Nutzer dieser Software, die 2015 von fünf Freunden in Dänemark entwickelt worden war, doch gerade die Zuwachsraten der vergangenen Monate können sich sehen lassen. Rund 2000 Betriebe in Deutschland haben mittlerweile Verträge mit "Too good to go" ("Zu schade zum Wegwerfen") und sind über die App zu finden. Im Freistaat gibt es laut Unternehmenssprecherin Franziska Lienert inzwischen rund 10 000 Menschen, die dieses Angebot nutzen und sich überschüssig produziertes Essen zum günstigen Preis holen.

Die auf diesem Weg verkauften Speisen sollen höchstens die Hälfte des ursprünglich von den Unternehmen verlangten Preises kosten. Im Durchschnitt werden für die angebotenen Mahlzeiten zwischen drei und vier Euro fällig. Wenn der Kunde mit ein paar Klicks sein Essen gekauft und per Kreditkarte oder PayPal bezahlt hat, kommt er in dem vom Anbieter angegebenen Zeitfenster – meist am Abend kurz vor Geschäftsschluss – vorbei, zeigt sein Smartphone vor und kann nach Vorzeigen seines elektronischen Kaufbons seine Lebensmittel mitnehmen.

Viele Studenten sind dabei

"35 000 Mahlzeiten konnten damit allein in Bayern auf diese Weise gerettet und bislang 52,5 Tonnen CO2 eingespart werden", erzählt Franziska Lienert. Der Großteil der Kunden von "Too good to go" sei zwischen 25 und 45 Jahre alt; viele Studenten sind darunter, aber auch Berufstätige, die nach Feierabend mit einem Blick auf die App schnell nachschauen, wo es in ihrem Viertel noch kulinarische Schnäppchen gibt.

Europaweit wurden bereits über fünf Millionen Mahlzeiten über die schnell wachsende "Too good to go"-Plattform verkauft, die es zurzeit in acht verschiedenen Nationen gibt. Einige weitere Länder sollen in den kommenden Monaten folgen.

In Nürnberg etwa gibt es nach bescheidenen Anfängen, als gerade mal ein halbes Dutzend Betriebe mitmachte, inzwischen ein relativ breites Angebot. Aktiviert man die App, werden neben mehreren Filialen einer Schnellrestaurantkette auch Hotels angezeigt, die am späten Vormittag die Reste ihres Frühstücksbüfetts feilbieten. Ein Italiener signalisiert, dass er noch mehrere Portionen Pizza und Pasta übrig hat, während man im El Pancho in der Nürnberger Innenstadt zwischen 20.30 und 22 Uhr überschüssiges Essen abholen kann.

"Tapas, Tacos oder Fajitas – je nachdem, was wir vorbereitet hatten, aber nicht auf regulärem Weg verkaufen konnten", erklärt Inhaberin Bruni Hintz. Seit Mai ist sie Vertragspartnerin von "Too good to go" und ist sehr zufrieden mit der bisherigen Resonanz. "Ich finde diese Aktion super, denn es wird leider viel zu viel weggeschmissen in der Gastronomie", sagt sie. Und natürlich hofft sie, dass ihr Betrieb dadurch bekannter wird.

Auch für Michael Küfner geht es bei seiner Geschäftspartnerschaft nicht ausschließlich um Umweltschutz und Nachhaltigkeit, sondern auch darum, neue Kunden zu gewinnen. "Geld verdiene ich mit dieser Aktion nicht. Damit sind noch nicht einmal die Kosten für den Einkauf gedeckt", sagt der fränkische Gastronom, der 3,90 Euro für eine über die Smartphone-App angebotene Portion verlangt.

Finanziert über Gebühren

"Selbstverständlich nutzen viele Betriebe unsere App auch als Marketinginstrument. Das ist eine Win-win-Situation", sagt Lienert, deren Firma sich über die Gebühren von einem Euro pro verkaufter Portion finanziert.

Bei der Aktion gehe es aber vorrangig darum, unserem Essen wieder zu mehr Wertschätzung zu verhelfen. "Wenn man nur die Hälfte der weltweit weggeworfenen Lebensmittel vor der Tonne retten würde, könnten wir die gesamte Weltbevölkerung satt bekommen."

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