Zu viele Asylunterkünfte: Kommunen stehen vor Problemen

7.6.2018, 05:49 Uhr
Zu viele Asylunterkünfte: Kommunen stehen vor Problemen

© Bodo Schackow/dpa

Vor zweieinhalb Jahren, auf dem Höhepunkt des Zuzugs von Flüchtlingen, hat die Regierung von Mittelfranken insgesamt 48 sogenannte Gemeinschaftsunterkünfte betrieben. Die dort zur Verfügung stehenden 3650 Plätze waren fast alle belegt. Jetzt, im Mai, ist die Zahl der Bewohner etwa gleich geblieben, sie verteilen sich allerdings momentan auf 73 Gebäude. Deren Auslastung liegt bei nur noch etwa 60 Prozent. Fast 16 Millionen Euro zahlte der Freistaat dafür im vergangenen Jahr an Miete allein in Mittelfranken.

Ähnlich ist die Entwicklung bei der sogenannten dezentralen Unterbringung in den mittelfränkischen Landkreisen und kreisfreien Städten. Die Ende 2015 insgesamt 9000 Betten in 482 Gebäuden waren damals zum Teil überbelegt. Bis heute ist die Zahl dieser Standorte auf 644 deutlich gestiegen. Gut 15.000 Menschen könnten dort unterkommen, tatsächlich lebt da aber etwas mehr als die Hälfte.

Glücksritter unterwegs

Für ganz Bayern belaufen sich die Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern nach Angaben des Innenministeriums im vergangenen Jahr auf 866 Millionen Euro. Warum die Zahl der kostenträchtigen Immobilien nicht mit dem Rückgang der ins Land kommenden Flüchtlinge einhergeht, kann Robert Busse erklären. Er ist Leiter des Sachgebiets bei der Regierung von Mittelfranken mit rund einhundert Mitarbeitern, das für die Flüchtlingsunterbringung zuständig ist.

Seine Erfahrung in diesem Bereich ist groß. Er ist bei der Bezirksregierung seit 2002 dafür verantwortlich. "Wir mussten uns vor knapp drei Jahren mit Hochdruck daran machen, Unterkünfte zu organisieren", sagt der Leitende Regierungsdirektor.

Zum Teil seien in den damals sehr angespannten Zeiten Räumlichkeiten angemietet worden, die erst jetzt für eine Belegung mit Flüchtlingen zur Verfügung stehen, weil sie für die Nutzung erst umgebaut werden mussten. "Auch bei den Kommunen war das häufig so."

Nicht voraussehbar

Dass der Bedarf auch in Mittelfranken schon Mitte 2016 wegen der Schließung der Balkanroute, auf der die Masse der Flüchtlinge unter anderem nach Deutschland kam, deutlich abebbte, konnte niemand voraussehen. Hinzu komme, so Busse, dass die seinerzeit geschlossenen Mietverträge zwischen acht und zehn Jahren laufen. Zu anderen Bedingungen war damals einfach nichts zu kriegen.

Es ist kein Geheimnis, dass mancher Investor auf dem Mietmarkt die entstandene Notlage als erfolgreicher Glücksritter nutzte. Zum Teil wurden Schrott-Immobilien gekauft und mit bester Aussicht auf schnelle Vermietung an die Regierung als Flüchtlingsunterkunft hergerichtet. Solche Investitionen sollten sich natürlich bezahlt machen. Und das taten sie auch.

In den Kommunen gibt es laut Busse Vertragsmodelle, die so unterschiedlich sind wie die Möglichkeiten, solche Verträge in entspannteren Zeiten wie diesen zu lösen. Manche Gemeinden haben freie Wohnungen oder Häuser gemietet. "Bisweilen geschah das mit üblichen Kündigungsfristen, manchmal mit fester Laufzeit über mehrerer Jahre", sagt der Beamte. Außerdem gab es sogenannte Beherbergungsverträge mit Gasthöfen oder Hotelbetrieben zu festen Tagespauschalen. Aus denen kann man noch am ehesten zügig aussteigen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Hinzu kommt das Betreibermodell, sozusagen ein Rundum-Sorglos-Paket.

Fehlbelegung führt zu Problemen

Hier sorgt der Eigentümer einer Immobilie im Auftrag der Kommune für Unterkunft, Verpflegung, Hausmeister- oder Sicherheitsdienst sowie Sozialbetreuung. Auch solche Verträge können etliche Jahre laufen. Und sie müssen erfüllt werden, egal ob Flüchtlinge in einer solchen Einrichtung leben oder nicht.

Ein weiteres Problem ist die Fehlbelegung, wie es im Amtsjargon heißt. Gemeint sind damit Flüchtlinge in staatlichen oder kommunalen Einrichtungen, deren Asylanträge längst anerkannt sind, die aber keine andere Wohnung auf dem freien Markt finden. Das betrifft gegenwärtig laut Busse rund 30 Prozent der Bewohner. Die müssen dann zwar für die Unterkunft eine Gebühr zahlen, wenn sie dazu nicht in der Lage sind, übernimmt das das jeweilige Job-Center.

Zu viele Asylunterkünfte: Kommunen stehen vor Problemen

© Kasperowitsch

"Umsteuerung" ist in dieser Situation für Robert Busse und seine Mitarbeiter deshalb das große Zauberwort. Es bedeutet, dass Flüchtlinge auf Unterkünfte verteilt werden, in denen Platz geworden ist, um manche Einrichtung aufgeben zu können, so weit das rechtlich möglich ist. "Ziel ist es, vor allem die Kommunen Zug um Zug zu entlasten", betont Busse. So kinderleicht, wie es klingen mag, ist das Unterfangen Umsteuerung allerdings nicht. Da ist ein langer Atem nötig. Es sind soziale Bindungen entstanden, die nicht ohne weiteres zu lösen sind.

Umquartierung ist schwierig

Der Wechsel von Flüchtlingskindern in eine andere Schule bereitet oft Probleme, langjährige Asylhelfer laufen Sturm, wenn die von ihnen betreuten Flüchtlingsfamilien plötzlich wegziehen sollen. Selbst eine Umquartierung vom Norden in den Süden ein und desselben Landkreises, oder schon der Umzug in einen anderen Stadtteil kann da zum Problem werden.

"Auf der Suche nach Lösungen sind wir ständig mit allen Beteiligten im Gespräch", versichert der Leitende Regierungsdirektor der Ansbacher Regierung. Wo laufen Mietverträge aus? Wo ist Platz für Menschen geworden? Wer kommt für einen Wechsel des Wohnortes infrage? Konkrete Zielvorgaben würden dabei, so Busse, nicht festgelegt. Es ist zwangsläufig eine Aufgabe, die hohe Flexibilität erfordert.

Robert Busse erinnert sich noch an den starken Flüchtlingszuzug in den 1990er Jahren. Der war verglichen mit dem des Jahres 2015 zwar gemäßigt, aber auch damals wurden ziemlich schnell jede Menge Unterkünfte gebraucht. "Es hat rund zehn Jahre gedauert, bis man die wieder loswerden konnte, weil der Bedarf nicht mehr da war", erzählt er. Ähnlich lang werde es jetzt wohl wieder dauern. Das wäre dann in den Jahren 2025 oder 2026 geschafft.

Votum für einen Puffer

Der Sachgebietsleiter zieht aus seinen Erfahrungen einen Schluss. Er empfiehlt, einen gewissen Puffer an Flüchtlingsunterkünften bereitzuhalten, um in Zukunft nicht wieder aus allen Wolken zu fallen. "Die Situation im Herbst 2015 konnte niemand vorhersagen." Und es ist wohl davon auszugehen, dass dies nicht das letzte Mal war, dass sehr schnell sehr viel Flüchtlinge untergebracht werden müssen.

Eine Prognose für Mittelfranken ist schwierig. Bis Ende 2020 würde die Möglichkeit bestehen, die Kapazitäten wenigstens auf 61 Gemeinschaftsunterkünfte sowie 100 dezentrale Einrichtungen zu verringern. Die Betonung liegt bei der Ansbacher Regierung auf "würde". Dazu müssten zunächst die gegenwärtigen Zugangszahlen von Flüchtlingen gleich bleiben oder sinken. Laufende Mietverträge müssen erfüllt werden, eine Umwidmung der Gebäude in Übergangswohnheime für Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, oder in reguläre Wohnungen für dort untergebrachte und längst anerkannte Flüchtlinge wäre denkbar.

Das sind bisher "theoretische Möglichkeiten, heißt es in Ansbach, mit einer Vielzahl gesellschaftlicher und politischer Unwägbarkeiten.

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