"Astrid": Das Leben vor Bullerbü und Pippi Langstrumpf

6.12.2018, 08:00 Uhr

© Erik Molberg Hansen/DCM/dpa

Auch für die dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen war Astrid Lindgren stets ein leuchtendes Vorbild. Nun machte sie sich zusammen mit dem Kinder- und Drehbuchautor Kim Fupz Aakeson daran, ihrer Heldin ein Denkmal zu setzen. Dabei entschieden sie sich, nicht das ganze Leben der Autorin als Spielfilm zu erzählen, sondern lediglich die prägenden Jahre ihrer Jugend.

Damals nimmt die junge Astrid Ericsson (Alba August) einen Job bei der Zeitung in der Nachbarstadt an. Die ist das Ein-Mann-Unternehmen des Verlegers Blomberg (Henrik Rafaelsen). Bald beginnt sie eine Affäre mit dem 30 Jahre älteren Mann – von dem sie schwanger wird. In ihrem kleinen, von der Kirche geprägten Heimatdorf ist das undenkbar. Blomberg vertröstet die junge Frau und verspricht ihr eine spätere Heirat. Doch zur Welt kommen muss das Kind weit weg – in Dänemark. Und auch Astrid muss eine Sekretärinnen-Ausbildung in Stockholm beginnen.

Der Film "Astrid" sammelt an vielen Ecken Pluspunkte. Da sind die großartigen Schauspieler, allen voran Alba August, die die Personen trotz des historischen Dekors sehr aktuell und nachvollziehbar erscheinen lassen. Gelungen ist auch der Kniff mit der Rahmenhandlung: Hier hört die 80-jährige Astrid Lindgren (Maria Fahl-Vikander) – fast nur als Schattenriss sichtbar – in ihrer Wohnung eine Kassette mit Glückwünschen von Grundschülern. Diese sagen ihr auch, was sie von ihren Büchern halten und stellen ihr Fragen zu deren Entstehung.

Das ist immens wichtig, da der Film auf Lindgrens schriftstellerische Tätigkeit nur minimal eingeht. Im Zentrum stehen die Beziehungen zu Blomberg, zu ihrer Mutter und zu Hanna (Maria Bonnevie), die in Dänemark eine Ersatzmutter für ihren Sohn wird. Am stärksten ist der Film dann auch in den Szenen, in denen die Frauen unter sich sind. Astrids Mutter (Tryne Dyrholm) erscheint zuerst wie eine jener bigotten, unterkühlten Figuren, wie man sie aus vielen skandinavischen Filmen kennt – offenbart dann jedoch ungeahnte Dimensionen.

Am schwächsten ist "Astrid" wenn Blomberg auftritt - Episoden, die auch ihre Tochter Karin Nyman als zu frei erfunden kritisierte. Dass dieser Typ, der ständig nur auf Zeit spielt, nicht der richtige für die clevere Astrid ist, merkt man nicht erst, als ihr nächster Chef als "Herr Lindgren" eingeführt wird. Hier hätte dem Film eine Straffung gutgetan. Die langsame Erzählweise und die dick auftragende Musik betonen stets den Ernst der Situation, verlieren dabei aber aus den Augen, was die Werke von Astrid Lindgren stets auszeichnete – selbst wenn diese sich mit Verlust beschäftigten: ihren Humor und ihre Lebensfreude.

Während die Regie also das große Drama anpeilt, schlägt die Bildgestaltung eine ganz eigene Route ein: Stets wackelt die Handkamera unruhig herum und klebt nah an den Personen. Vermutlich soll das die Isoliertheit und die Bedrängnis der Figuren symbolisieren. Nervig ist es trotzdem.

Ein ambitionierter Film, dem man die Begeisterung seiner Macher für Astrid Lindgren deutlich anmerkt – der aber formal nicht an thematisch verwandte Projekte wie "Das Mädchen aus dem Norden" anknüpfen kann und inhaltlich ein bisschen zu düster geraten ist. (S/D/DK/124 Min.)

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