"Aufbruch zum Mond": Das Trauma eines legendären Helden

8.11.2018, 09:00 Uhr

© Universal

Seit seinem mit sechs Oscars prämierten Musical "La La Land" (ebenfalls mit Gosling) gilt Damien Chazelle als neues Regie-Wunderkind. Mit "First Man. Aufbruch zum Mond" bringt der 33-Jährige einen leisen, nachdenklichen Film ins Kino – der mit ohrenbetäubendem Getöse beginnt. Chazelle katapultiert den Zuschauer direkt in die scheppernde Kapsel eines Testflugzeugs, das die Atmosphäre durchdringt. Die klaustrophobische Enge, auch die Panik des Piloten sind da fast physisch zu spüren.

An dieser Grenzerfahrung lässt einen der Film mehrfach teilhaben – bei den Testflügen des Gemini-Programms, mit denen die Andockmanöver im All trainiert werden, und später bei der Apollo-Mission. Auf sehr authentische Weise vermitteln sich hier die Gefahren und Risiken des Programms und die gigantischen Herausforderungen für die Nasa. Mit größter Sorgfalt werden die Flüge vorbereitet. Trotzdem gibt es immer wieder Rückschläge. Bei einem Routinetest verbrennen drei der erfahrensten Kollegen in der verschlossenen Kapsel. Der Tod ist für die Astronauten immer gegenwärtig. Der Film zeigt sie nicht als wilde Draufgänger, sondern als Männer, die Angst haben, nicht auf die Erde zurückzukehren.

Es ist bewundernswert, wie es Chazelle und seinem Drehbuch-Autor Josh Singer gelingt, die Geschichte des Aufbruchs zum Mond vollkommen kitschfrei mit der persönlichen Tragödie Neil Armstrongs zu verbinden, dessen kleine Tochter mit zwei Jahren an einem Hirntumor stirbt. Der Vater frisst die Trauer in sich hinein, vergräbt sich in seine Arbeit und wird als einer der wenigen Zivilisten von der Nasa für das Gemini-Programm engagiert.

Nur ein paar Risiken

Armstrong und vor allem seine Frau Janet sehen darin die Chance für einen Neustart. In Houston wohnen sie mit den anderen Astronauten Haus an Haus. Doch gegen die Sprachlosigkeit ihres Mannes kommt Janet (mit kluger Sensibilität gespielt von Claire Foy, "The Crown") kaum an. Vor dem Aufbruch zur Apollo-11-Mission zwingt sie ihren Mann dazu, sich von den Kindern zu verabschieden und ihnen zu erklären, dass sie ihn vielleicht nicht wiedersehen. Auch da bringt Armstrong nur ein paar unbeholfene Sätze über die Lippen – dass es ein paar Risiken gäbe, er aber die Absicht habe, zurückzukommen. Ryan Goslings differenziertes Spiel lässt erahnen, welcher Aufruhr der Gefühle hinter der scheinbar so kühlen Fassade tobt.

Mit seiner streng subjektiven Erzählhaltung verzichtet Chazelle darauf, die Mondlandung als patriotischen Mythos zu inszenieren. Jenseits stereotyper Heldenklischees vermittelt "Aufbruch zum Mond" ein Gefühl für den Wahnsinn der Mission, deren gigantische Kosten angesichts der sozialen Missstände in vielen Städten sehr umstritten war. Doch wenn die Landefähre "Eagle" sich dann der Mondoberfläche nähert, fährt Chazelle alle Außengeräusche zurück und zeigt in vollkommener Stille jenen unwirklichen, poetischen Moment, den damals die ganze Welt gebannt am Fernseher verfolgte.

Dass man nicht sieht, wie die US- Flagge in den Boden gerammt wird, brachte dem Film Kritik von rechten Bloggern ein. Dabei erzählt Chazelle offen von der Sehnsucht nach nationaler Größe, die mit dem "America First"-Geschrei eines Donald Trump nichts zu tun hat. (USA/141 Min.)

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