"Bad Times At...": Zur falschen Zeit am falschen Ort

11.10.2018, 08:00 Uhr

© Twentieth Century Fox

Willkommen im "El Royale"! Alleinstellungsmerkmal des einsam am Lake Tahoe gelegenen Hotels ist ein roter Strich, der über das Gelände und mitten durch die Lobby führt: Die Staatsgrenze zwischen Kalifornien und Nevada – weshalb auf der Nevada-Seite kein Alkohol ausgeschenkt werden darf und die Zimmer in Kalifornien einen Dollar teurer sind. Doch der Laden — gleichwohl immer noch gut in Schuss — hat seine besten Zeiten hinter sich: Vor einem Jahr hat das "El Royale" seine Glücksspiellizenz verloren, jetzt ist der Pool voller Enten und die Zimmer werden auch stundenweise vermietet.

Sieben Fremde im Sturm

Die sieben Fremden, die es Ende der 1960er Jahre in einer stürmischen Nacht in diese Mitte von Nirgendwo verschlägt, scheinen nur auf den ersten Blick gewöhnlich. Da sind ein Staubsaugervertreter, der zu viel redet (Jon Hamm aus "Mad Men"), ein alter Priester (Jeff Bridges, "The Big Lebowski"), eine desillusionierte Soulsängerin (Cynthia Erivo) und eine wütende junge Frau (Dakota Johnson, Star der "Fifty Shades"-Serie). Nicht nur der bubenhafte Rezeptionist (Lewis Pullman) – einziger Bediensteter im Haus – scheint eine finstere Vergangenheit zu haben. Zwei weitere nicht minder undurchsichtige Figuren werden wenig später dazustoßen. Kaum haben alle eingecheckt, beginnen die Dinge in eine äußerst beunruhigende Richtung abzudriften...

Was seine verschachtelte Erzählweise (in Kapiteln), die schmissige Einbindung von stilsicher ausgewählter Musik, den satten Gewaltanteil und vor allem seine ungebremste Geschwätzigkeit angeht, ist "Bad Times At The El Royale" eine einzige große Verneigung vor dem Schaffenswerk von Quentin Tarantino – und so angreifbar wie dessen eigene Werke.

Bei Lichte besehen, tut nämlich auch dieser Film klüger als er ist und gibt sich äußerst selbstverliebt nicht nur, was die endlosen Dialoge angeht. Da hätte manches weggekonnt – angesichts einer stolzen Laufzeit von 140 Minuten. Was man dem Film echt zugutehalten muss: Er weiß einen zu verblüffen. Immer wieder ändert die Geschichte die Richtung, schlägt die Handlung Haken, werden neue Ideen aus dem Hut gezaubert. Das hält den Spannungsbogen dann doch hoch.

Für seine sinistere, nie zu kühle Stilübung hat sich Drehbuchautor Drew Goddard ("Bad Times At The El Royale" ist zugleich auch seine zweite Regiearbeit nach dem hoch- und vielgelobten "The Cabin in the Woods") Kameramann Seamus McGarvey geholt, der wie schon zuletzt in "Nocturnal Animals" prächtige, betörend schöne Bilder im feinsten Retro-Look lieferte. Da wird neben den bestens aufgelegten Schauspielern auch das Hotel selbst zum Star, in dessen Mauern und Böden ebenfalls das ein oder andere Geheimnis schlummert.

Mit verschiedenen Erzählebenen und langen Rückblenden widmet sich Goddard intensiv seinen Hauptfiguren, taucht tief in ihre Geschichten ab — und lässt die Situation beim Aufeinandertreffen in dem einsamen Hotel dann genüsslich eskalieren. Dass dabei das Fass mit den ganz großen Fragen (Gut oder Böse, Schuld und Vergebung) aufgemacht wird, hätte es nicht zwingend gebraucht. Trotzdem: Sehenswert. (USA/140 Min.)

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