"Ben Is Back": Mutter kämpft um den verlorenen Sohn

10.1.2019, 08:00 Uhr

© Tobis

Gerade erst hat Holly Burns (Julia Roberts) ihren unerwartet nach Hause zurückgekehrten Sohn Ben überglücklich in die Arme geschlossen, da räumt sie schon eilig die Tablettenvorräte aus dem Badezimmerschrank weg. Ben (Lucas Hedges, 2017 Oscar-nominiert für "Manchester by the Sea" und Sohn des Regisseurs) ist auf Entzugstherapie. Er ist seit 77 Tagen clean, doch weiterhin gefährdet. Trauen, warnt er seine Mutter, darf man ihm nicht.

Holly setzt trotzdem alles daran, Heiligabend gemeinsam zu feiern, obwohl der Stiefvater Neal (Courtney B. Vance) skeptisch ist und die jüngere Schwester Ivy (Kathryn Newton) zunächst fast panisch reagiert. 24 Stunden darf Ben bleiben, allerdings, das macht ihm Holly unmissverständlich klar, wird sie ihn rund um die Uhr überwachen. Selbst beim Drogentest auf der Toilette lässt sie ihn nicht aus den Augen.

Wie groß bei allen die Ängste, Verletzungen und Unsicherheiten sind, wie sich die widerstreitenden Gefühlen zwischen Liebe und Furcht immer wieder verschieben, wird deutlich, wenn Regisseur Hedges für kurze Zeit fast eine Familienidylle inszeniert, deren Brüchigkeit mit Händen zu greifen ist. Ben gibt, zupackend und witzig, den liebevollen Bruder seiner kleinen Stiefgeschwister, die feinfühlige Ivy unterstützt ihn so gut sie kann, Holly bemüht sich mit strahlendem Lächeln um Normalität.

Doch die Gefahr ist nicht gebannt, überall begegnen Ben die Erinnerungen an sein Drogen- und Dealerleben. Einmal fährt Holly mit ihm zur Shoppingmall, unterwegs zeigt er ihr, wo er sich den ersten Schuss gesetzt hat, wo er jemanden überfallen hat. In der Mall entdeckt Holly den inzwischen dementen Arzt ihres Sohnes, der Ben einst süchtig machende Schmerzmittel verschrieb. Sie wünsche ihm einen grauenvollen Tod, sagt sie ihm direkt ins Gesicht. In der Weihnachtsmesse treffen sie auf die Mutter eines Mädchens, das Ben einst angefixt hatte und das an einer Überdosis starb.

Als die Familie nach Hause kommt, ist das Wohnzimmer verwüstet und der geliebte Hund verschwunden. Ben gibt sich die Schuld für den Einbruch und ist außer sich, weil er seine Familie in Gefahr gebracht habe. Gemeinsam machen sich Mutter und Sohn auf die Suche nach dem Hund. Während sie die Adressen all jener abklappern, die noch eine Rechnung mit Ben offen haben, dringt Holly immer tiefer in seine kriminelle Vergangenheit ein. Mit der nächtlichen Irrfahrt wendet sich das hochemotionale Familiendrama ins Thrillerhafte, was trotz ein paar klischeehafter Szenen hochspannend gelingt.

Der große Trumpf dieses insgesamt klug und und sensibel erzählten Films sind aber die beiden Hauptdarsteller: Julia Roberts liefert als Holly, die bei aller Verzweiflung und Wut mit bedingungsloser Mutterliebe zu ihrem Sohn hält und beträchtliche Kämpferqualitäten entwickelt, ihre beste Leistung seit "Erin Brockovich" ab. Lucas Hedges spielt den zwischen Schuldgefühlen, Selbsthass und der Liebe zu seiner Familie zerrissenen Ben mit verstörend eindringlicher Präsenz.

Dass "Ben Is Back" nicht im sozialen Ghetto angesiedelt ist, sondern im wohlsituierten amerikanischen Vorstadtmilieu, verleiht dem Film zusätzlich eine starke politische Dimension. Gleich die erste Kamerafahrt rückt einen Drugstore, eine Apotheke, ins Bild, wo Schmerzmittel bedenkenlos verkauft werden. Drogen, zeigt Regisseur Peter Hedges, gehören in dieser scheinbar heilen Welt zum Alltag. Wie zerstörerisch sie wirken und was aus den Abhängigen wird, ist dem Staat weitgehend egal. (USA/103 Min.)

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