"Beuys": Provokateur und Visionär einer gerechteren Welt

18.5.2017, 08:00 Uhr

© Piffl

"Wollen Sie eine Revolution ohne Lachen?", fragt Joseph Beuys die Mitdiskutanten auf dem Podium, darunter der erzkonservative Soziologe Arnold Gehlen, und zeigt grinsend seine großen Zähne. Für den Mann, der den Kunstbegriff neu definierte – als soziale Plastik, an der jeder kraft seines Denkens teilhat –, gehörte auch der Spaß zum gesellschaftlichen Umbau, mit dem es ihm ernst war.

Andres Veiel hat Beuys nun ein mitreißendes filmisches Denkmal gesetzt, das nahezu alle Facetten des bedeutendsten deutschen Nachkriegskünstlers zeigt: Den humorbegabten Provokateur, den Selbstdarsteller, den rastlosen Promoter seiner Ideen, den leidenschaftlichen Lehrer, der, weil er jeden Studenten in seine Düsseldorfer Akademieklasse aufnahm, von Ministerpräsident Rau fristlos entlassen wurde und die Free International University (FIU) in Kassel gründete. Immer wieder sieht man Beuys auch bei seinen legendären Aktionen – wie er dem toten Hasen die Bilder erklärt, in der New Yorker Galerie René Block vier Tage mit einem Kojoten in einem Raum verbringt, bei seinem Documenta-Auftritt 1982, als er 7000 Eichen in der Stadt pflanzen lässt.

Tief berührend ist die Annäherung an die tragischen Ereignisse: Der traumatische Abschuss auf der Krim im Zweiten Weltkrieg. Die Legende von den Tartaren, die ihn mit Fett und Filz heilten, wollte Beuys schon damals niemand glauben. Die tiefe Depression in den 50er Jahren, das Scheitern bei den Grünen, denen seine Kapitalismuskritik doch zu radikal war. Und dann wieder erlebt man in dem nur einer losen Chronologie folgenden Film den visionären, unermüdlichen Beuys, der mit seinem Witz selbst seine Gegner zum Lachen brachte.

Veiel erklärt Beuys und seine Kunst nicht, vielmehr gelingt ihm das lebendige Porträt eines sensiblen Menschen und furchtlosen Freidenkers, dessen politische Ideen heute brandaktuell sind. "Beuys erschien mir als der erste vernünftige Mensch, einer, auf den man sich verlassen konnte und der in seiner Konsequenz von Reden und Tun beispielhaft war", sagt die FIU– Mitbegründerin Rhea Thönges-Stringaris, eine der fünf Wegbegleiter, die im Film befragt werden, über Beuys. An dieser Bewunderung rüttelt Veiel nicht. Aber das muss er auch nicht. (D/107 Min.)

Verwandte Themen


Keine Kommentare